© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

"Lebenslänglich Deutschland"
Reform der Erbschaftsteuer: Für Grund und Boden besteht keine Fluchtmöglichkeit in Steueroasen
Klaus Peter Krause

Es gibt Leute, die gut zahlen, die schlecht zahlen, die prompt zahlen, die nie zahlen, Leute, die schleppend zahlen, Leute, die bar zahlen, die abzahlen, draufzahlen, heimzahlen - nur Leute, die gern zahlen, die gibt es nicht." Diese Bemerkung des Aphoristikers Georg Christoph Lichtenberg paßt auch auf die Erbschaftsteuer.

Bauernverbandspräsident Gert Sonnleitner drückte das so aus: "Die beste Reform der Erbschaftsteuer wäre natürlich ihre Abschaffung. Unredlich ist eine solche Forderung nicht. Aber wir sehen natürlich, daß dies aus politischen Gründen zur Zeit versperrt ist." Sonnleitner eröffnete hiermit kürzlich in Berlin den "Tag des Eigentums", den der Deutsche Bauernverband und die Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände diesmal der Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer gewidmet hatten.

Diese Reform, dem Bundestag aufgenötigt, weil das Bundesverfassungsgericht alle Vermögen bei der Bewertung gleichbehandelt wissen will (JF 15/07 und 29/07), steht in einer heißen Phase der politischen Diskussion. Landwirte, Forstwirte und andere Personenunternehmen wollen erreichen, daß die neue Steuerregelung "nicht so wirkt, daß sie zur Todessteuer für unsere Betriebe wird". Sie fordern, das Eigentum zu schützen. Der Vorsitzende der Grundbesitzerverbände, Michael Prinz zu Salm-Salm, erinnerte die anwesenden Bundestagsabgeordneten daran, daß die Erbschaftsteuer aus dem Ertrag gezahlt werden muß, und verwies dabei auch auf den Sonderfall Wald: Ehe man dort nach 90 und mehr Jahren das Holz ernten könne, müsse man in dieser Zeit dreimal Erbschaftsteuer zahlen.

Bauernverband und Grundbesitzerverbände hatten Entscheidungsträger aus der Politik zu einem Meinungsaustausch über die in Arbeit befindliche Reform eingeladen. Barbara Hendricks, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, rechtfertigte den Erhalt der Erbschaftsteuer. Ein Stück Umverteilung müsse sein. Aber eine grundlegende Umgestaltung sei nicht beabsichtigt.

Unbedingt beabsichtigt ist jedoch, das Aufkommen von jährlich rund 4 Milliarden Euro zu erhalten. Andererseits ist vorgesehen, Erben von Personenunternehmen die Steuer zu erlassen, wenn sie die Unternehmen mindestens zehn Jahre fortführen statt zu verkaufen (Verschonungs- oder Abschmelzmodell genannt). Diesen Steuerausfall hätten dann aber, wenn das Aufkommen gleichbleiben soll, die Erben anderer Immobilien und mobiler Vermögen zu schultern; für sie würde die Steuerbelastung steigen.

Mobile Vermögen können in Steueroasen flüchten, nach Österreich, nach Liechtenstein. Dann würde der Steuerausfall denen aufgeladen, die hierbleiben oder hierbleiben müssen. Das sind alle Land- und Forstwirte und andere Immobilieneigentümer. So ist es auch schon 1996 beim Wegfall der Vermögensteuer geschehen: Um den Einnahmeverlust auszugleichen, wurde privaten Immobilieneigentümern eine höhere Steuer bei Grunderwerb und Erbschaft aufgeladen.

Gleiches droht ihnen nun abermals. Auswandern können die Land- und Forstwirte mit ihrem Grund und Boden nicht. Für sie gilt "lebenslänglich Deutschland", wie Christian von Stetten (CDU) sagte, der Berichterstatter seiner Fraktion zur Erbschaftssteuer ist. Darum wollen sie mit ihren Betrieben im Erbfall wenigstens nicht nach dem (fiktiven) Substanzwert, sondern nach dem (feststellbaren) Ertragswert bewertet werden. "Denn wir benötigen," sagte Sonnleitner, "unsere Flächen zum Produzieren und nicht zum Spekulieren."

Der Verfassungsrechtler Otto Depenheuer von der Deutschen Stiftung Eigentum sieht die Bewertung grundsätzlich als ein "Stochern im Nebel". Daher schlug er als Ausweg diese, wie er sagte, "verwegene Idee" vor: Für jegliches Sachvermögen wird die Steuer gestundet bis zu seinem Verkauf. Dann nämlich gibt es einen Wert, den Verkaufspreis, und keinen Streit mehr um die Bewertung.

Doch Hermann Otto Solms (FDP), Vizepräsident des Deutschen Bundestages, sieht das aus verfassungsrechtlichen Gründen sehr reserviert. Außerdem komme die Idee für die aktuelle Diskussion zu spät. Nicht anders Christine Scheel, Fraktionsvize der Grünen: Dann habe man wieder das Problem der Ungleichbehandlung und damit das verfassungsrechtliche Problem. Auch sei die Idee in der praktischen Ausführung und Verwaltung sehr aufwendig.

Florian Pronold, stellvertretender finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, trat für eine Besteuerung nach dem Ertragswert ein, wenn der Betrieb weitergeführt wird, und für eine Nachversteuerung nach dem Verkehrswert, wenn der Betrieb später verkauft wird. Solms vertrat den Kompromiß, für den sich die FDP entschieden hat: Es sei den Ländern selbst zu überlassen, ob und wie sie die Steuer erheben wollten - wie die Kantone in der Schweiz. Dann gebe es unter den Ländern erbschaftssteuerlichen Wettbewerb, der eine hohe Belastung nicht zulasse. Wettbewerb mögen die Länder aber nicht. Sie wollen daher, daß ihnen zwar das Aufkommen zufließt, aber über die Steuer wie bisher einheitlich der Bund bestimmt.

Norbert Schindler, Vizepräsident des Bauernverbandes, tat kund: "Noch in diesem Jahr wollen wir die Reform in erster Lesung behandeln. Aber wir sollten nichts hektisch beschließen, dann sind Fehler möglich. Verzögerung durch längere Diskussion hat einen gewissen Charme." Der CDU-Bundestagsabgeordnete sieht allerdings das Risiko, daß die Große Koalition im Frühjahr 2008 vorzeitig endet. Dann sei eine linke Mehrheit unter einem anderen Kanzler möglich. Doch Angela Merkel werde die Erbschaftsteuer nicht zum Eklat in der Koalition werden lassen.

Schindler formulierte, was auch die rund 200 Zuhörer von der Reform verlangen: "Fällt die Bewertung im Erbfall höher aus als bisher, dann müssen die Freibeträge hoch und die Steuersätze runter."

Informationen zur Erbschaftsteuer:
 www.ihk-koeln.de/Navigation/FairplayRechtUndSteuern/Erbschaftsteuerreform.jsp


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