© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

CD: EBM/Industrial
Opferbereit
Hagen Weimar

Josef Klumb weiß oft nicht, woher ihm seine Ideen zufliegen, aber sie überkommen ihn reichlich. Sie verfolgen und bedrängen ihn, daß er sie als ihr Besessener in Musik verwandeln muß. Das dabei Entstehende ist keine gebogene Konstruktion, es trägt die Frische seiner Begeisterung und das Merkmal klangtechnischer Raffinesse.

Kürzlich ist nun seine neue CD "Sacrificare" (Cold Spring Records) erschienen. Der martialische Sound des Vorgänger-Albums "Bellum, Sacrum Bellum" ist moderaten Gitarrenriffs gewichen, melodischen Hymnen mit Pathos. Gleich der erste Titel ist Programm: "The age of decay and democracy" ist mehr als eine Reflexion über den Verfall und Mißbrauch der zeitgenössischen Demokratie, deren moralischer Anspruch immer unberechtigter wird und mittlerweile DDR-Züge angenommen hat. "This is the age of endless discussion, by total  state-control ..." Die Demokratie regiert in einer Weise, die nur der Befriedigung materieller Bedürfnisse für eine größtmögliche Zahl Rechnung trägt, das Heil der Seele aber nicht kennt: "in the feel of the cold we're begging for gold".

Nummer zwei ist "Molti piu nemici, molti piu onore". "Viel Feind, viel Ehr", heißt es bekanntlich. Wem die Zahl der Feinde wächst, kommt also noch mehr Ehre zu. Klumb singt erstmals italienisch, ein Tribut an seine Fangemeinde in Italien. Von Thronstahl konzertiert noch dieses Jahr in Rom, auch in Sofia und Südtirol. "Dressed in black uniforms" ist eine Cover-Version von Joy Division, sehr folkig in einfacher Gitarren-Begleitung und choralem Hall. Die schwarzen Uniformen haben keinen konkreten historischen Bezug, sie sind ästhetisch visioniert.

Zwei Titel heben sich klanglich ab: "Sacrificare" und "Palästina" wurden von Raymond P. komponiert, sehr elektronisch, im gewohnten Thronstahl-Sound. Opfer und Opfern ist das Thema dieses Albums. Die Demokratie kenne kein Opfern, nur Solidarität, meint JK, doch nur das Opfer gibt den Halt zur Welt. Er als bekennender Katholik sieht dies im Kreuzopfer Christi symbolisiert. "Ein halbes Opfer blutet, ein ganzes Opfer flammt, laßt uns in Liebe brennen, für Gott und Vaterland!"

"Undefinierbare Sehnsucht" ist eine Elegie auf die unerklärliche Triebkraft der Deutschen. JK ist Romantiker alter Schule, kein Sentimentalist. "Nameless the hunger, the reason, my aim. Silent the spell and no words to tell. Silent my fall, my victory, my claim!" Hier legt er seinen Motor offen, der nicht anzuhalten ist. Melancholie regiert den Titel "Berg-Einsamkeit". Es ist die Vision der Sicht vom Berg hinunter auf die kaputte Welt. Da das Gesehene nicht mitteilbar ist, stellen sich Resignation und Entrückung ein.

Das Meisterlied ist "The four horsemen of the apocalypse" am Ende, als Ideen-Konsequenz gedacht. Apokalypse steht als Grund der Gedankenwelt JKs. Der Kehrreim ist aus einem Lied der Aphrodites Childs entlehnt, alles andere neu komponiert. Besungen werden die vier apokalyptischen Pferde: "Fronting wild horses are riding again, bringing down iron and acid rain". Die ohrwurmverdächtige Melodie steht in seltsamen Kontrast zur Bitterkeit der Textaussage.

So ist die neue Scheibe wieder ein Klangerlebnis sonderbarster Art. Viele Titel wären Charthits, böten sie nicht Botschaft wider den Zeitgeist, was sie für die MTV-Welt unvermarktbar macht. Man darf JK als ungekrönten König seiner Musikszene bezeichnen.

Weitere Informationen im Internet unter www.vonthronstahl.de


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