© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

Katholischer als der Papst
Ein Dogmatiker untersucht Martin Mosebachs Werk
Thorsten Thaler

Der kürzlich verstorbene Walter Kempowski hat sich in seinen letzten Lebensmonaten oft darüber beklagt, daß der Literaturbetrieb ihn jahrzehntelang kaum wahrgenommen, ihn sogar vorsätzlich ignoriert und boykottiert habe. "Man hat mich benachteiligt, wo es nur ging", sagte er noch in diesem Sommer dem Nachrichtenmagazin Focus. Tatsächlich hat der Romancier ("Tadellöser & Wolff"), Tagebuchautor ("Alkor", "Sirius") und Collageur des "Echolot"-Projekts nie einen der großen Literaturpreise erhalten, zu seinem Werk gibt nur ganz wenige Doktorarbeiten, und auch die Sekundärliteratur zu Kempowski hält sich in überschaubaren Grenzen. Er selbst führte diese Ignoranz ihm gegenüber stets darauf zurück, daß er wohl zu konservativ sei.

Ob der Zeitgeist dem Konservativen inzwischen mehr hold ist, wie gelegentlich - je nach Standort - mal freudig-zustimmend deklamiert, mal bedauernd beklagt wird, kann dahingestellt bleiben. Hier genügt der Hinweis, daß am kommenden Samstag ein anderer konservativer Autor mit einer der renommiertesten Auszeichnungen geehrt wird, die der deutsche Literaturbetrieb zu vergeben hat. In Darmstadt erhält der Schriftsteller Martin Mosebach den Georg-Büchner-Preis 2007 der Akademie für Sprache und Dichtung überreicht. Ebenjener Mosebach, dem nicht nur Etiketten wie "konservativ", "erzkatholisch", "unzeitgemäß", "altmodisch" oder "vormodern" anhaften, sondern der sich selbst auch freimütig zu seiner reaktionären Weltsicht im Sinne des kolumbianischen Philosophen Nicolás Gómez Dávila bekennt.

Desungeachtet steht Mosebach nun mit der Verleihung des Büchnerpreises in der ersten Reihe der deutschen Schriftstellerzunft -­ eine Feststellung, die auch Steffen Köhler im Vorwort seines Buches "Martin Mose­bach - Die Schönheit des Opfers" trifft. Dieses erste sekundärliterarische Werk zu Mosebach widmet sich ganz dem katholischen Aspekt in dessen Œuvre. Der promovierte Dogmatiker und Studienrat Köhler hat sich Mosebachs Romane "Die Türkin" (1999), Eine lange Nacht" (2000) und "Das Beben" (2005) vorgenommen, dazu den Essayband "Häresie der Formlosigkeit" (2002/2007), den Köhler als den Romanen beigestellten Kommentar auffaßt, und sie auf ihren katholischen Gehalt hin untersucht.

Im Ergebnis seiner akribischen Studie widerspricht Köhler sogar - mit einigem Recht! - Mose­bachs Selbsteinschätzung. Der hatte in seinem Essay "Was ist katholische Literatur?" geschrieben, in seinen Erzählungen sei das Katholische allenfalls "an der Oberfläche" angesiedelt. Demgegenüber kommt Köhler zu dem Schluß: "Mose-bachs Dichtung ist in einer Weise katholisch, an die sich die westeuropäische Kultur erst wieder gewöhnen muß."

Steffen Köhler: Martin Mosebach. Die Schönheit des Opfers. Verlag J.H. Röll, Dettelbach 2007, gebunden, 176 Seiten, s/w-Abbildungen, 39,80 Euro


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