© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

Nordelbiens Gutslandschaft
Kulturhistorie im Rucksack
Clemens Neumeyer

Bis 1945 säumten Schlösser und Gutshäuser die Agrarprovinzen an der Ostseeküste - von Nordschleswig bis hinauf nach Livland und Estland. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fiel der größte Teil dieser seit dem 16. Jahrhundert gewachsenen, weitgehend deutschen Kulturlandschaft in den Herrschaftsbereich Stalins. Verwüstung durch Kollektivierung war das Resultat. Die kommunistische Barbarei tobte sich bis in die Güterbezirke des nordwestlichen Mecklenburg  aus. Eine mögliche Korrektur dieses Kulturverlustes bis an die Oder wurde durch die Beibehaltung der kommunistischen Konfiskation nach der Wende unterlassen. Da diesseits des Eisernen Vorhangs liegend, blieb also nur die vielfältige nordelbische Gutsarchitektur vom Ruin verschont.

Sie ist bis heute auch die historisch am besten erforschte, wobei als Standardwerke die seit den 1960er Jahren erschienenen drei "grünen Bände" des Juristen Henning von Rumohr hervorzuheben sind, den als Herrn auf Gut Drült, einem klassizistischen Juwel der Landschaft Angeln, nicht nur wissenschaftliche Passion mit der Materie verband. Entschieden rucksacktauglicher als sein vergriffenes Werk ist nun jedoch das Taschenbuch von Hans und Doris Maresch, das Schleswig-Holsteins Schlösser, Herrenhäuser und Palais neu vorstellt.

Vollständig ist ihr Verzeichnis zwar nicht, da zum Beispiel das Drült benachbarte Ohrfeld, die verwunschen nahe der Ostsee gelegenen Güter Düttebüll und Oehe oder Bienebek und Stubbe an der Schlei fehlen. Aber es wurden kleinere Häuser berücksichtigt, die bei von Rumohr draußen blieben. Daß im Vergleich mit ihm auch topographische, kunstgeschichtliche und biographische Angaben knapper ausfallen mußten, versteht sich von selbst, ist aber gleichwohl bedauerlich. Darum erfährt der Leser leider kaum mehr als die Namen historisch bedeutender Gutsherren. So etwa im Eintrag "Wahlstorf", nahe Preetz, das bis 1980 Victor von Plessen gehörte, dem Forschungsreisenden, der es mit seinen Büchern und Filmen über die "Kopfjäger von Borneo" zu erklecklichem Ruhm brachte, hier aber nur als "Indonesienreisender" figuriert.       

Hans und Doris Maresch: Schleswig-Holsteins Schlösser, Herrenhäuser & Palais. Husum Verlag, Husum 2006, broschiert, 204 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro


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