© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

Blauäugig
von Michael Paulwitz

Wieder die alte Leier: Fachkräftemangel, Geburtenrückgang, und das Patentrezept Einwanderung soll's richten. Zwanzig Millionen Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern, glauben die Strategen vom Brüsseler grünen Tisch, müßten zusätzlich nach Europa einwandern. Die "Hochqualifizierten" unter ihnen soll die "Blue Card" von Innenkommissar Franco Frattini anlocken.

Dabei weiß er wohl selbst: Die "Blue Card" löst weder das Problem der illegalen Einwanderermillionen, noch bringt sie die demographische Wende. Ihr Hauptzweck ist, seine Vision vom "Immigrationskontinent" voranzubringen, in dem sich nationale Identitäten verwischen. Daß Wirtschaftslobbyisten darüber jubeln, wundert nicht: Das ist ihr Job. Daß deutsche Unionspolitiker die Blaue Karte zurückweisen, heißt nicht viel: Sie teilen Frattinis wirtschaftshörigen Einwanderungsbegriff, doch ans Eingemachte trauen sie sich (noch) nicht heran.

Der Kommissar selbst hat das Problem klar benannt: Weltweit wollen nur fünf Prozent der gut ausgebildeten Auswanderer nach Europa, aber 85 Prozent der Ungelernten. Die Lösung heißt nicht: neue Anreize für die Besten, sondern: Tür zu für Wohlstandsflüchtlinge und Einwanderer in die Sozialsysteme. Solange Europas Nationalstaaten diese Aufgabe nicht gelöst haben, werden Spitzenkräfte weiter in die USA ziehen, wo sie nicht für die Folgen falscher Einwanderungspolitik mitzahlen müssen, und Europa darf sich fürderhin als Weltsozialamt bewähren. Wer noch alle Sinne beisammen hat, muß Frattinis "Blue Card" die Rote Karte zeigen.


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