© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

Übermächtige Relativierungen
Religion: Der Soziologe Heiner Bielefeldt wirft einen Blick auf das Islambild der Deutschen und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen
Fabian Schmidt-Ahmad

Nein, die Meinung der Deutschen über den Islam ist wahrlich nicht die beste, Tendenz fallend. So resümiert Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte: "Laut einer im Mai 2006 veröffentlichten Allensbach-Umfrage stimmten 83 Prozent der Befragten der Aussage zu, der Islam sei fanatisch, 62 Prozent betrachteten ihn als rückwärtsgewandt, 71 Prozent als intolerant und 60 Prozent als undemokratisch."

Höchste Zeit für Bielefeldt, eine Studie zum "Islambild in Deutschland" anzufertigen. Dabei soll allerdings nicht Islamkritik pauschal ins Unrecht gesetzt werden, wie der Autor ankündigte, sondern "vielmehr geht es darum, mit den weithin existierenden Vorbehalten und Befürchtungen sorgfältig umzugehen, sie auf ihren möglichen Sachgehalt hin kritisch zu prüfen, stereotype Darstellungen und Erklärungen zu überwinden und Diffamierungen klar entgegenzutreten."

Ein Versprechen, welches Bielefeldt nicht einlösen wird. Denn schon ein flüchtiger Blick zeigt, daß der Autor vor allem mit einer Befürchtung sehr sorgfältig umgegangen ist: nämlich der, daß an irgendeiner Stelle seiner Untersuchung der Eindruck entstehen könnte, der Islam könnte nicht in die europäische Kultur passen. Tatsächlich wird dieses als zentrales Dogma festgelegt: "Eine Prämisse aller Bemühungen um die Überwindung islamophober Stereotype muß die Anerkennung der schlichten Tatsache sein, daß der Islam zu einem dauerhaften Bestandteil der deutschen Gesellschaft geworden ist." Von dieser Grundannahme ausgehend, gelangt Bielefeldt stets zu Aporien, die aber weniger mit dem Islambild der Deutschen als mit Bielefeldts eigenem Weltbild zu tun haben.

So konstatiert er im ersten Teil der Studie, als es um die Bestandsaufnahme islamkritischer Gruppierungen geht, "ungewohnte Allianzen" von rechtskonservativ bis marxistisch angehauchten, politischen Strömungen, um verwundert zu monieren: "Der Anspruch der offenen, liberalen Gesellschaft gerät dabei paradoxerweise zu einem Topos scharfer, antiliberaler Grenzziehung gegenüber Menschen mit muslimischem Hintergrund." Nicht paradox, sondern recht einleuchtend werden diese "ungewohnten Allianzen" jedoch, wenn man sie als das begreift, was sie ihrem eigenen Selbstverständnis nach sind: Bollwerk der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen einen sie berennenden Feind. Dann allerdings ist der "Antiliberalismus" der liberalen Gesellschaft nicht paradox, sondern Ausdruck des gesunden Menschenverstandes. Diesem Anspruch wiederum scheint Bielefeldts Studie nicht immer ganz gewachsen.

Weiter heißt es bei Bielefeldt: "Nicht weniger selbstverständlich als die Anerkennung der dauerhaften Präsenz des Islams in Deutschland ist die Einsicht, daß das Grundgesetz die normative Grundlage des Zusammenlebens in dieser Gesellschaft darstellt. Bei der Formulierung dieser im Grunde wiederum trivialen Einsicht kommt es häufig zu kommunikativen Fehlleistungen. Dies geschieht schon dadurch, daß man die Anerkennung der Verfassungsordnung als eine politische Forderung formuliert und speziell an Muslime adressiert." Dieses verärgere gerade liberale Muslime, wie Bielefeldt im zweiten Teil  zu berichten weiß. Allerdings hat er offensichtlich übersehen, daß diese "triviale Einsicht" in der Tat nicht bei allen Muslimen angekommen ist. Erst im Sommer dieses Jahres drohte die sogenannte Islamkonferenz zwischen der deutschen Regierung und Vertretern des Islam zu scheitern, als der gewiß nicht radikale muslimische Spitzenverband Koordinierungsrat der Muslime die Zustimmung zur gemeinsamen Erklärung zurückzog, welche die in Deutschland lebenden Muslime auf das Grundgesetz verpflichten sollte.

Kann es Bielefeldt an einigen Stellen nicht vermeiden, der Islamkritik doch eine gewisse Berechtigung anzuerkennen, wird diese Anerkennung sogleich von übermächtigen Relativierungen flankiert. So gibt er zwar zu, daß der "islamistische Terrorismus" sich durch religiöse Implikationen legitimiert, will die Ursachen jedoch aus den "politischen und sozialen Bedingungen in islamisch geprägten Ländern" herleiten. Hier listet Bielefeldt allerdings nicht den Islam, sondern hauptsächlich den "Westen" als Verursacher auf: "Dazu zählen die Enttäuschungen nach dem Scheitern diverser ökonomischer Entwicklungsstrategien, der Eindruck einer doppelzüngigen Politik westlicher Staaten im Nahen Osten, die Perspektivlosigkeit großer Teile der Jugend, Gefühle kultureller Demütigung durch einen übermächtigen Westen, dessen Dominanz mit den eigenen Ansprüchen auf religiös-moralische Überlegenheit kontrastiert."


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