© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

Märtyrer des Bürgerkriegs
Opfer der Republik: Die katholische Kirche hat fast fünfhundert spanische Kleriker seliggesprochen
Karlheinz Weissmann

Am vergangenen Sonntag hat die katholische Kirche 498 Männer und Frauen seliggesprochen, die während des Spanischen Bürgerkrieges ermordet wurden. Darunter waren vor allem Kleriker - zwei Bischöfe, 24 Priester, 462 Ordensleute, ein Diakon, ein Subdiakon, ein Seminarist - und nur eine kleine Zahl von sieben Laien. Es handelte sich um den größten Akt dieser Art in der Kirchengeschichte, der mit einer Feierlichkeit auf dem Petersplatz verbunden war, an der mehrere zehntausend Menschen teilnahmen.

Der Sprecher der Spanischen Bischofskonferenz, Juan Antonio Martinez Camino, hat allerdings betont, daß man offiziell nicht von "Märtyrern des Bürgerkriegs" sprechen wolle, sondern die Getöteten als Opfer des "Holocausts der Christen im 20. Jahrhundert unter totalitären Regimen" betrachte. Man darf darin einen Versuch sehen, die sozialistische Regierung zu beschwichtigen, deren Antiklerikalismus aggressivere Züge annimmt und die versucht, durch eine neue Art von Vergangenheitspolitik die Erinnerung an den Bürgerkrieg in ihrem Sinn zu ändern.

Gab es nach dem Übergang Spaniens zur Demokratie einen Konsens von den Konservativen bis zu den "Eurokommunisten", alte Wunden heilen zu lassen, so ist dieser durch die Linke aufgekündigt worden. Das wurde schon nach dem sozialistischen Wahlsieg von 2004 deutlich, als sie begann die symbolischen Überreste des Franco-Regimes zu beseitigen, jetzt geht es stärker darum, ein Geschichtsbild zu etablieren, das den folgenden Vorgaben entspricht: die Linke repräsentiert das legitime Erbe der spanischen Republik, diese wurde ohne eigenes Verschulden durch einen Putsch zerstört, den Franco im Bündnis mit der politischen und kirchlichen Reaktion sowie den "Faschisten" Hitler und Mussolini durchführen konnte.

Selbstverständlich gibt es in Spanien Widerstand gegen eine solche Verkürzung, aber die "antifaschistische" Optik setzt sich immer stärker durch. Dabei genügt schon ein Blick auf die Umstände, unter denen die eingangs erwähnten Opfer starben, um die neuerdings gewünschte Deutung der Vergangenheit zu korrigieren: Zwei der Ermordeten kamen bereits während der ersten Christenverfolgung von 1934 in Nordspanien um, die größte Zahl - 489 - wurde während der Terrorwelle von 1936 nach dem Wahlsieg der "Volksfront" oder kurz nach dem Beginn von Francos Erhebung getötet, und nur die sieben übrigen starben während des eigentlichen Bürgerkrieges.

Den Hintergrund aller Morde bilden jene Ereignisse, die mit der Proklamation der "Zweiten Republik" am 14. April 1931 ihren Anfang nahmen. Damals schien der Kampf der "beiden Spanien" - des traditionell-katholischen und des progressiv-säkularen - zugunsten des letzteren entschieden. Die Folge war eine scharf kirchenfeindliche Politik, die weniger von den Liberalen, stärker von kommunistischen, sozialistischen und anarchistischen Kräften getragen wurde.

Es kam von Anfang an zu Gewalttaten im Rahmen von Streiks und Landbesetzungen, aber vor allem zu Übergriffen auf Gemeindepfarrer, Mönche und Nonnen, immer wieder wurden kirchliche Gebäude beschädigt, einzelne auch niedergebrannt.

Nach der Machtübernahme der Volksfront vermehrte sich die Zahl der Zerstörungsakte, Morde und Pogrome gegen Katholiken. In einer Ansprache vor dem Parlament zog José Calvo Sotelo, der Vorsitzende der monarchistischen Partei, eine erschütternde Bilanz der Ereignisse zwischen dem 16. Februar und dem 2. April 1936: 74 Tote, 199 Überfälle, 178 Brandstiftungen, denen 106 Kirchen zum Opfer fielen.

Einige Zeit nach dieser Rede, am 13. Juli des Jahres, wurde Calvo Sotelo von republikanischen Polizisten ermordet. Die Tat blieb ungesühnt, sie erschien der Linken nur als Detail einer großen gesellschaftlichen Umwälzung, die sie siegreich bestehen würde. Aus dem Plan einer großen Abrechnung mit den verhaßten Gegnern machten ihre Führer gar kein Hehl, und eine Abgeordnete der sozialistischen Partei erklärte in öffentlicher Rede: "Wir wollen die Revolution, aber die russische Revolution genügt uns nicht als Vorbild. Es müssen gewaltige Flammen lodern, die man in der ganzen Welt sehen kann, und Ströme von Blut müssen die Meere rot färben."

Was dann folgte, kam dieser Vision sehr nahe. Nachdem Franco am 17. Juli 1936 mit ihm ergebenen Truppen gegen die republikanische Regierung geputscht hatte, folgte ein drei Jahre dauernder Bürgerkrieg, der etwa 160.000 Gefallene und 140.000 Ziviltote forderte. Er wurde von beiden Seiten mit außerordentlicher Grausamkeit geführt, aber die Initiative zu den summarischen Massentötungen ging ohne Zweifel von der radikalen Linken aus. So liquidierten im November 1936 kommunistische Milizen in Paracuellos bei Madrid fünftausend Menschen und warfen ihre Leichen in die Abwasserkanäle. Der Historiker Cesar Vidal spricht von einem "spanischen Katyn" und betont die Verantwortung der linken "checas" - Tötungskommandos nach sowjetischem Vorbild - für dieses und ähnliche Massaker. Es handelte sich dabei faktisch immer um Klassenmorde, wobei die "Schuld" der Opfer einfach darin bestand, dem Bürgertum oder den Grundbesitzern zuzugehören, eine akademische Ausbildung zu haben oder als Katholik zu praktizieren.

War die Gefahr für Laien schon groß, so wurde sie durch die, die den Klerikern drohte, noch weit übertroffen. Der liberale Historiker Salvador de Madariaga, der sogar einem der frühen republikanischen Kabinette angehört hatte, schrieb, es habe für Monate und Jahre in Spanien die einfache Tatsache genügt, Priester zu sein, um getötet zu werden. Insgesamt wurden zwischen 1936 und 1939 fast siebentausend Priester, Mönche und Nonnen ermordet, das waren mehr als zwanzig Prozent der spanischen Geistlichkeit, und einige Zeitgenossen hofften oder fürchteten, Spanien werde das erste atheistische Land der Welt.

Schon im Januar 1937 kam Manuel de Irujo y Ollo, republikanischer Minister ohne Geschäftsbereich, in einer Denkschrift zu der Feststellung: "Außerhalb des Baskenlandes ist die faktische Lage der Kirche folgende: Alle Altäre, Bilder oder Kultobjekte sind zerstört worden, mit wenigen Ausnahmen ... Alle Kirchen sind für den Gottesdienst geschlossen, der vollständig verboten wurde ... Die offiziellen Stätten haben die Glocken, Kelche, Kandelaber und alle anderen Kultgegenstände eingeschmolzen und militärischen oder zivilen Zwecken zugeführt ... Die Priester und die Gläubigen wurden zu Tausenden festgesetzt, inhaftiert und ohne Urteil erschossen ... Man ist so weit gegangen, den privaten Besitz von religiösen Bildern und Objekten zu verbieten. Die Polizei, die für die Durchführung der Bestimmungen verantwortlich ist, sucht und zerstört gewaltsam und voller Wut alle Dinge, die mit dem Kult in Beziehung stehen."

Trotz der Verfolgung hat die spanische Kirche nur zögernd ihre Unterstützung für die Sache Francos erklärt, am 19. März 1937 schloß sich Papst Pius XI. mit der Enzyklika Divini Redemptoris dieser Haltung an. Verständlich wird das vor allem aus der Sorge vor einer totalen Vernichtung des Christentums in Spanien, die angesichts der Unterstützung der Republik durch die Sowjetunion durchaus denkbar schien.

Umgekehrt hat Franco die Vorstellung von einem neuen "Kreuzzug" als Entschuldigung für zahllose Racheakte an Republikanern betrachtet und die Kirche ist dem nicht entgegengetreten. Das hat die Sache der "Nationalen" viel moralischen Kredit gekostet, auch wenn nur wenige so weit gegangen sind wie der französische Schriftsteller Georges Bernanos - bis dahin ein überzeugter Parteigänger der katholischen Rechten -, dessen Entsetzen über die Liquidationen auf Mallorca literarischen Niederschlag fand in dem Buch "Die großen Friedhöfe unter dem Mond".

Bernanos Grunderfahrung - "Es gibt kein Mitleid im Bürgerkrieg" - könnte genügen, um eine Leitlinie für die Beurteilung des historischen Geschehens im Spanien der Jahre 1936 bis 1939 zu finden. Aber davon ist man weiter entfernt denn je. Die Erklärung liegt in der kulturellen Macht der Linken, der es gelungen ist, mit der Schwärmerei für "Interbrigadisten" und den im August 1936 ermordeten Blutzeugen Federico García Lorca, mit dem Kitsch von Hemingways "Wem die Stunde schlägt" und den Halbwahrheiten über die Bombardierung von Guernica einen weiteren antifaschistischen Mythos zu schaffen. Dagegen ist deshalb so wenig auszurichten, weil er Teil einer noch größeren Erzählung ist, in der die Rollen von Helden und Schurken immer gleich verteilt sind.

Wenn die katholische Kirche jene 498 Männer und Frauen nun zur Ehre der Altäre erhebt, dann mag das kein politischer Akt sein. Benedikt XVI. folgte bei diesem Entschluß dem Vorbild Johannes Pauls II., der schon am 25. Oktober 1992 die "Märtyrer von Barbastro" seliggesprochen hat. Es handelte sich dabei um 51 Ordensmänner und Novizen des Claretinerklosters von Barbastro - fast alle unter 25 Jahre alt - die von einem republikanischen Kommando am 20. Juli 1936 erschossen worden waren.

Man könnte aber auch eine Verbindung herstellen zu dem Entschluß, 1989 die "Märtyrer der Revolution" zu ehren, das heißt angesichts der Festtagsstimmung, in der die französische Linke den 200. Jahrestag der Französischen Revolution feierte, jener zu gedenken, die im Namen von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" guillotiniert, erschossen, ertränkt oder verbrannt worden waren, weil sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten.

Nach der Lehre der Kirche ist das Blut dieser Zeugen eine unschätzbare Gabe, ein Geschenk an die Gemeinschaft der Christen. Weltlich gesprochen, geht es um eine Gegen-Erinnerung, eine wichtige Möglichkeit, die herrschenden Vorstellungen in Frage zu stellen, weil sie als Vorstellungen der Herrschenden durchschaubar werden.

Foto: Massen-Seligsprechung von 498 "Opfern des Holocausts der Christen im 20. Jahrhundert": "Eine unschätzbare Gabe"


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