© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Der zweite Putsch des Putschisten
Pakistan: Staatschef Musharraf hat den Ausnahmezustand verhängt / Heftiger Widerstand
Günther Deschner

Staats- und Armeechef Pervez Musharraf hatte sich nach dem 11. September 2001 - gegen den heftigen Widerstand der Islamisten - auf die Seite der USA geschlagen. George W. Bush machte ihn zum Eckpfeiler seines war on terrorism. Dennoch ließ der General jenseits der Grenze in Afghanistan operierende Terrorgruppen lange gewähren. Die Demokratiebewegung in Pakistan, aus der dem islamischen Fundamentalismus ein Gegengewicht hätte erwachsen können, trieb er in die Opposition, die breite gebildete Mittelschicht verprellte er.

Die Absicherung seiner Militärherrschaft durch die bedingungslose Unterstützung Washingtons mußte seit Jahren das Fehlen jeder Innenpolitik wettmachen. Die Unterstützung im Volk verlor er in den acht Jahren seiner Herrschaft zusehends. Laut Umfragen hat Osama bin Laden bei den Pakistanern angeblich inzwischen mehr Zustimmung als Musharraf. Eine teure Quittung wurde ihm von Iftikhar Chaudhry, dem Obersten Richter des Landes, ausgestellt. Er hätte kommende Woche darüber urteilen sollen, ob Musharraf bei der Wahl im Oktober überhaupt kandidieren durfte, und er ließ keinen Zweifel daran, wie sein Urteil ausfallen würde. Chaudhry gilt als Symbolfigur des friedlichen Protestes gegen den Präsidenten. Der kam mit seinem Putsch dem Urteil zuvor und entließ Chaudhry. Allein dieser Vorgang läßt massive Demonstrationen der demokratischen Mittelschicht erwarten.

Ende Oktober noch hatte sich Musharraf auf Drängen Washingtons mit der geduldeten Rückkehr Benazir Bhuttos ein demokratisches Mäntelchen umhängen lassen (JF 44/07). Die Tochter des ermordeten früheren Regierungschefs Zulfikar Ali Bhutto - obwohl wegen Korruption verurteilt und seit 1999 im Exil - gilt vielen ihrer Landsleute als Hoffnungsträgerin für eine bessere Zukunft und Demokratie. Sie hatte das Land schon zweimal regiert und sollte zukünftig - so hatte es Washington arrangiert - die Macht mit Musharraf teilen und als "demokratisches Gesicht" des Landes posieren. Nach Musharrafs zweiten Putsch ist allerdings fraglich, ob sie sich mit der ihr zugedachten kosmetischen Rolle begnügen kann.

Zumindest wird sie jetzt darauf bestehen müssen, daß die für Januar anstehenden Wahlen durchgeführt werden und daß sie allen Parteien offenstehen müssen. Das müßte dann wohl auch für Nawaz Sharif, den 1999 von Musharraf ins Exil getriebenen Ex-Premier gelten, der als der gefährlichste Herausforderer gilt. Der Chef der Muslimliga posiert schon lange als der edle Retter, der Pakistan von der Diktatur befreien will. Ob die Rückkehr eines so hartgesottenen Fundamentalisten, dem die Scharia als Rechtsprinzip vorschwebt, wirklich das ist, was das 170-Millionen-Land braucht und was Washington vorschwebt, steht auf einem anderen Blatt.


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