© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Wasser wird zum kostbarsten Gut
Trinkwasserverknappung: Die Landwirtschaft als größter Süßwassernutzer wird immer lauter zu mehr Sparsamkeit aufgerufen
Harald Ströhlein

Es scheint etwas weltfremd, wenn Umweltaktivisten vor einer drohenden Wasserarmut warnen und Wasser noch wertvoller einstufen als Erdöl, dessen Preis sich derzeit auf die Schmerzgrenze von 100 Dollar pro Faß (Barrel) zubewegt. Doch die Fakten sind eindeutig: Zwar bedeckt Wasser über 70 Prozent der Erdoberfläche, doch nur 2,5 Prozent der 1,1 Milliarden Kubikkilometer  sind Süßwasser. Davon wiederum sind über zwei Drittel als Eis gebunden. Das verbleibende Drittel reicht immer weniger, der Wasserverbrauch steigt doppelt so schnell, wie die Menschheit wächst. Bereits heute haben weltweit etwa 1,1 Milliarden Menschen nicht genügend Wasser zum Trinken.

Ausgetrocknete Flußbette in Nord-amerika, immer tiefere Grundwasserbohrungen in Indien oder längere Pipelines für die Bewässerung von Obst- und Gemüsekulturen in Libyen, fallender Wasserspiegel in Peking - doch es wäre ein Trugschluß zu glauben, daß sich nur Länder der trocken-heißen Klimazonen auf eine zunehmende Wasserverknappung einzustellen hätten. In den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl und Intensität der Dürreperioden auch in Europa steil angestiegen. Über 100 Millionen EU-Bürger und ein Drittel ihres Gebietes waren 2003 von der bislang längsten Dürreperiode betroffen. Ökonomen beziffern die durch Dürreschäden verursachten Gesamtkosten mit etwa 100 Milliarden Euro. Doch unabhängig von diesen Engpässen leiden in Europa bereits mehr als 41 Millionen Menschen unter Wassermangel. "Nicht nur zu wenig Wasser, sondern auch dessen schlechte Qualität können dazu führen, daß global nicht ausreichend Trinkwasser zur Verfügung steht", warnt der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge.

Angesichts dessen und der prognostizierten Klimaerwärmung ist die Aufforderung zum Wassersparen verständlich. Hauptverbraucher ist die Landwirtschaft, die zwischen 70 und 90 Prozent des Süßwasservorkommens vereinnahmt. Doch zu pauschalieren, wäre falsch. Es gilt zu unterscheiden, welchen Weg das Wasser nimmt. So grenzt es einerseits an Raubbau, wenn nur noch die Hälfte des Wassers exotische Feldfrüchte benetzt, weil die andere Hälfte bereits in offenen Bewässerungskanälen verdunstet ist. Das ist in zahlreichen Ländern Usus, wo das nasse Element zum Nulltarif aus eigenen Brunnen gefördert werden darf.

Doch ist es andererseits diskutabel, wenn für die Produktion eines Kilogramms Getreide 1.000 Liter oder die Erzeugung eines Kilogramms Rindfleisch etwa das Zehnfache an Wasser gebraucht werden, wenn schon für einen Liter Cola fast vier Liter oder für einen Liter Bier etwa sieben Liter vonnöten sind? Hinzu kommt, daß unter Agrarflächen die Grundwasserneubildung erheblich größer ist als unter Wald- oder Buschflächen.

Um die drohende Wasserverknappung noch abzuwenden, will die EU-Kommission die Bauern mit einem Maßnahmenbündel zum sparsameren Umgang mit dem wertvollen Gut erziehen. So drängt die Brüsseler Behörde die einzelnen Mitgliedsländer dazu, im Einklang mit der Wasserrahmenrichtlinie bis spätestens 2010 für kostendeckende Preise zu sorgen. Zudem werden mit Beginn der nächsten Förderperiode ab 2014 die Wasserinfrastrukturen nur noch dann gefördert, wenn der Empfänger ein entsprechendes Wassermanagement nachweisen kann.

Auch sollen dann von der Produktion entkoppelte Beihilfen verhindern, daß zu großzügig bemessene Bewässerungen landwirtschaftlich genutzter Flächen die zunehmende Wasserverarmung noch weiter forcieren. Dabei hat die EU-Kommission zuvorderst Spanien und Griechenland im Auge, wo über 70 Prozent bzw. fast 90 Prozent des Gesamtwasserverbrauchs auf die Felder fließen. Des weiteren haben sich die Kommissare zum ehrgeizigen Ziel gesetzt, den Einfluß der steigenden Biosprit-Nachfrage auf die Wasserverfügbarkeit unter die Lupe zu nehmen. Da für die Erzeugung eines Liters Bioäthanol gut 4.500 Liter Wasser zweckentfremdet werden, ist dies sicher ein lohnendes Unterfangen.

Die derzeitige Situation zugrunde legend, wird im Jahre 2025 vergleichend zu 2000 der Anteil der Weltbevölkerung, der über ausreichende Wasservorräte verfügt, von 92 auf 62 Prozent schrumpfen, und der Anteil, der über Wasserknappheit klagen wird, von fünf auf 31 Prozent sowie der Anteil, der unter Wassermangel leiden wird, von drei auf sieben Prozent steigen. Beobachtet man indes die laxe Haltung mancher Länder und Kontinente, ist zu befürchten, daß die hehren EU-Maßnahmen und die möglicherweise daraus erzielten Ergebnisse nur als Tropfen auf dem heißen Stein verdunsten.

Informationsbroschüre des Umweltbundesamtes zum Regenwasser : www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2973.pdf


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