© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Das Papier ist die Konzerthalle
An des Meisters Hand ins unbekannte Land: Horst Janssens japanische Arbeiten
Matthias Schultz

Bis Japan ist der Hamburger Grafiker Horst Janssen (1929-1995) selber nie gekommen, dafür aber die Kunst aus Fernost zu ihm, und zwar über seinen gleichaltrigen und erst dieses Jahr verstorbenen Freund Gerhard Schack. Der war nicht nur ein passionierter Sammler von Janssens Arbeiten, sondern auch von den Surimono genannten Holzschnitten, Zeichnungen und Rollbildern. Meister des 18. und 19. Jahrhunderts wie Kitagawa Utamaro und Katsushika Hokusai faszinierten Janssen derart, daß er ihre Werke vor allem in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts immer wieder kopierte.

Allerdings kupferte Janssen dafür die von ihm verehrten Vorlagen nur zum Teil und dabei auch sehr gekonnt ab. Hauptsächlich aber dienten sie ihm als Ausgangspunkt, um sich in ihrem Stil und ihrer Technik eigene Gedanken über den Alltag zu machen. Denn nicht selten werden die Protagonisten der Originale durch Janssen verblüffend ähnlich sehende Akteure ersetzt.

Da ist Janssen als "Glückssack" zu sehen, zufrieden und mit prall gefülltem Bauch lächelt er dem Betrachter bequem in die Kissen gesunken entgegen. Das Original stellt hingegen Hotei dar, einen Mönch, der sich einst besonders um die Bedürftigen gekümmert hat und dann zu einem der sieben Glücksgötter im japanischen sowie chinesischen Buddhismus aufgestiegen ist. Oder als "Brutaler H. in japanischer Manier" von 1963: Hier muß man allerdings schon ein wenig genauer hinschauen, um die unverwechselbaren Züge des Hamburgers in dem Liniengewirr zu entdecken.

In der 1968 entstandenen Mappe "Utamaro" geht es dann zwar rein technisch gesehen etwas gesitteter zu, aber dafür inhaltlich etwas anzüglicher. In den achtfarbigen Offset-Drucken breitete Janssen seine Phantasien aus. Da darf man einer schlanken, schönen Dame erst beim "Haarewaschen" zuschauen und anschließend beobachten, wie sie ein kleines Äffchen "Zu Bett" trägt, weil "Mama" ausgeht. Ganz "Allein" hat das Äffchen dann mörderische "Mond­angst". Auf der gegenüberliegenden Wand hinter dem rekonstruierten Arbeitszimmer im zweiten Obergeschoß geht die Geschichte allerdings wie in der japanischen Vorlage mit einem menschlichen Kind weiter. In gleich drei Zustandsdrucken in den Farbtönen Sepia, Grau-Grün sowie Rostrot wird zudem deutlich, wie penibel Janssen zusammen mit seinem Haus-und-Hof-Drucker Hartmut Frielinghaus die Ergebnisse durchplante. Zusammen waren sie so gut, daß Janssen jubilierte: "Ich bin Mozart, Friely ist der Geiger, und das Papier ist die Konzerthalle." Dieses Papier übrigens steuerte oftmals Naoaki Sakamoto bei, von Janssen nur kurz "Papier-Nao" genannt. Er war auch Janssens Lieferant und Brückenkopf zum Kunstmarkt in Fernost. Denn Janssen ist wegen seiner meisterhaften Aneignung und Variationen der Nationalkünstler auch in Japan sehr bekannt.

Im Rundgang hinter dem Treppenhaus kann man eine Reihe kleinformatiger Arbeiten der Serie "Hokusais Spaziergang" bewundern, in der Janssen die Holzschnitte des Meisters vollendet kopiert hat. Sein Sammler Schack interpretierte den Titel als "Janssens Spaziergang an der Hand Hokusais durch die vielfältigen Provinzen der Zeichnung und Radierung". So hängt da ein Riff in tosender Brandung gleich neben dem Drachen, der sich durch die Wellen windet. Und alles ist für den Grafiker Janssen sehr ungewöhnlich farbenprächtig illustriert - so wie auch die japanisierenden Arbeiten aus der späten Zeit. Erst 1989 ist zum Beispiel "Friely auf dem Weg" entstanden, das den auch durch Janssens cholerische Art sehr leidgeprüften Drucker in der Dämmerung und am Stock sich mühsam voranarbeitend zeigt zwischen zwei gigantischen, windmühlenartigen Silhouetten.

Auch die zarten Zwischentöne beherrschte Janssen ohne weiteres. Der "Schmetterlingstraum" ist nicht nur vom Titel, sonder auch in der Umsetzung eine äußerst filigrane Arbeit. Sinniert jedoch ursprünglich bei Hokusai ein etwas älterer Mann auf ein kleines Tischchen gestützt im Anblick zweier umeinander flatternder Falter, so spielt sich bei Janssen das Hauptgeschehen unter diesem Tischlein ab. Dort geht es nämlich erotisch hoch her. Mit ausgesprochener Freude an der anatomisch-analytischen Darstellung frönte Janssen dort seinen Neigungen und bediente damit natürlich auch gerne die Vorlieben seiner versierten Kundschaft.

Foto: Horst Janssen, Alter Mann träumt Landschaft, Radierung, 10. Oktober 1988: Die Vorgaben japanischer Meister des 18. und 19. Jahrhunderts dienten ihm als Ausgangspunkt, um sich in ihrem Stil und ihrer Technik eigene Gedanken über den Alltag zu machen

Die Ausstellung "Horst Janssen: In japanischer Manier" ist bis zum 20. Januar 2008 im Oldenburger Horst-Janssen-Museum, Am Stadtmuseum 4-8, täglich außer montags jeweils von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 04 41 / 2 35 28 91, Internet: www.horst-janssen-museum.de


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