© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Die Standards für den Alltag
Sloterdijks Ersatzreligion
Holger von Dobeneck

Der Philosoph und Hochschulrektor Peter Sloterdijk (60) unterzieht in seinem Buch gleich alle Religionen einer erbarmungslosen Textkritik, sieht sie allesamt in einen tödlichen Konflikt verstrickt, der sich nur lösen läßt, wenn man sich gänzlich von ihr entferne und einer "Zivilreligion" widme, die "ganz dem Alltag verpflichtet ist".

Der Gott der Monotheismen ist suprematorisch, das heißt allmächtig und fordernd, und der Mensch kann sich ihm nur bedingungslos unterwerfen. Sloterdijk sieht die Zivilisierung der Monotheismen dann erreicht, wenn die Menschen sich für die schriftlichen Äußerungen ihres Gottes zu schämen beginnen wie für die Auftritte eines sehr netten, aber jähzornigen Großvaters, den man nicht mehr ohne Begleitung in die Öffentlichkeit entlassen kann. Er sieht in Lessings Ringparabel die generelle Lösung. Dort findet er Postmodernität, Pluralität und die Suspension der Wahrheitsfrage.

Dabei vergißt er nicht, auf die säkularen Nachfolger der Religionen, den Kommunismus und den Nationalsozialismus, zu verweisen, die er als atheistische Para-Monotheismen kennzeichnet. Dabei sei die kommunistische Religion mit über hundert Millionen Toten in ihrer Menschenvernichtungsleistung dem strukturgleichen Nationalsozialismus weit überlegen.

Sloterdijk plädiert für eine transkulturell überzeugende "Allgemeine Kulturtheorie", die sich ganz dem Alltag verpflichtet fühlt. Ansätze hierfür können in Nietzsches "Zarathustra" gesehen werden. Dieser fordert eine Dekonstruktion des Jenseitsfurors und jeglicher Form des Hinterweltlertums. Nietzsche besitze somit das Potential, philosophischer Arzt einer kranken Kultur zu sein. Im religiösen Fundamentalismus findet Sloterdijk eine latente Suizidalität, die besonders ausgeprägt sei bei den protestantischen Doomsday-Sekten der USA und den islamischen Dschihadisten. Übersteigerte Religiosität wirke wie eine Brandbeschleuniger.

Seine Hoffnung setzt Sloterdijk liegt daher in eine Globalisierung, in der sich Kulturen gegenseitig zivilisieren. Dann mündet das Jüngste Gericht in der alltäglichen Arbeit.

Peter Sloterdijk: Gottes Eifer. Vom Kampf der Monotheismen. Verlag der Weltreligionen, Frankfurt/Main 2007, gebunden, 218 Seiten, 17,60 Euro


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