© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Lektionen des "Adler-Denkers"
Essays von Louis de Bonald
Georg Alois Oblinger

Der Wiener Karolinger Verlag hat es wieder einmal geschafft, die Schriften eines originellen Denkers dem deutschsprachigen Publikum zugängig zu machen. In seiner "Bibliothek der Reaction" hat er in deutscher Erstübersetzung von Peter Weiß Essays und Aphorismen des in Deutschland nahezu unbekannten Louis de Bonald vorgelegt.

Zu seinen Lebzeiten war der Adlige Louis Vicomte de Bonald (1754-1840) das Haupt der französischen Gegenaufklärung und einer der am meisten bekämpften politischen Autoren. Sein Denken beeinflußte Joseph de Maistre, François de Chateaubriand, Donoso Cortés, Franz von Baader, Charles Maurras, aber auch T. S. Eliot. Honoré de Balzac nannte ihn einen "Adler-Denker".

Der Leser des vorliegenden Buches kann dem Scharfsinn des unbequemen Franzosen in ausgewählten Aphorismen und in sechs seiner wichtigsten Essays nachspüren. Dort doziert Bonald über Vorurteile, über die Sprachen, über den Nutzen der Philosophie, über die Revolution, über Gelehrsamkeit und über die Juden. Wie Herausgeber Jean- Jacques Langendorf betont, liegt der Schlüssel zum Gedankengut Bonalds in seinen Überlegungen über das Wesen der Sprache. Die artikulierte Sprache setzt zwar das Denken voraus; jedoch muß auch das Denken zuvor in einer irgendwie gearteten Meta-Sprache erfolgen. Da diese also jeglichem Denken vorausgeht, muß sie göttlichen Ursprungs sein.

Daraus leitet der geistig tief im Katholizismus verankerte Bonald ab, daß auch die Gesellschaft, der Staat und das Gesetz des menschlichen Zusammenlebens direkt auf den göttlichen Willen zurückzuführen sind. Seine Schlußfolgerung lautet: "Der Mensch vermag nichts über den Menschen, außer durch Gott, er schuldet dem Menschen nichts, außer für Gott." Insbesondere tritt Bonald in seinen Schriften dem radikalen Individualismus scharf entgegen und legt gerade hier Gedanken vor, die heute sehr aktuell sind.

Bonald, der damals Bürgermeister im südfranzösischen Millau war, begrüßte wie viele andere die Anfänge der Französischen Revolution, erkannte aber sehr bald, daß diese die Gesellschaft und ihre religiöse Verankerung zerstört. Besonders die "Zivilverfassung des Klerus" und die danach einsetzenden Verfolgungen der eidverweigernden Priester empören ihn. Im Juli 1790 legt Bonald daher sein Bürgermeisteramt nieder und wird zum literarischen Kämpfer für die Rückkehr der Monarchie. Er schließt sich dann der Restauration an und wird 1815 Mitglied der Academie Française. Der Ultraroyalist genießt das Wohlwollen Ludwigs XVIII. und hat großen politischen Einfluß. 1823 erhält er den Titel eines Pair von Frankreich.

Jean Vicomte de Bonald, ein Nachfahre des politischen Denkers, bezeichnet diesen in einem beigefügten Aufsatz als "Mann von Charakter". In Treue zu seinen politischen und religiösen Überzeugungen entschied er sich gegen eine journalistische Karriere und gesellschaftliches Ansehen. Er ging ins Exil und lebte in einem Bauernhaus am Bodensee; dort schrieb er: "Die Erde ist nicht die Heimat des zivilisierten Menschen. (...) Der zivilisierte Mensch sieht seine Heimat nur in den Gesetzen, welche die Gesellschaft leiten, in der Ordnung, welche sie regiert, in den Gewalten, welche sie beherrscht, in der Religion, die man dort bekennt."

Die Essay-Sammlung Louis de Bonalds ist ein Kleinod, das der heute orientierungslos gewordenen Gesellschaft bei der Suche nach tragenden Fundamenten, nach verbindlichen Werten und nach Identität große Hilfe leisten kann.      

Jean-Jacques Langendorf, Hrsg.: Louis de Bonald. Essais und Einfälle. Karolinger Verlag, Wien 2006, gebunden, 107 Seiten, 19 Euro


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