© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

Rauchverbot in Gaststätten: Wer wird denn da gleich in die Luft gehen?
Kampfgetöse und Eiertänze
Carsten Krystofiak

Schon seltsam: In der Wirtschaft setzt die Politik auf Liberalisierung und Deregulierung. "Weniger Staat", heißt die Parole. Dafür gibt es andererseits noch mehr Staat: Als Ausgleich wird das Privatleben zunehmend durch Gesetze und Vorschriften eingerahmt. Jetzt trifft es die Raucher. Und zwar dort, wo sie sich bisher zu Hause fühlten: am Kneipentresen oder am Stammtisch. Anfang 2008 werden nach den Vorreitern wie Niedersachsen und Baden-Württemberg auch die übrigen Bundesländer ein Rauchverbot in Gaststätten erlassen. Das heizt die öffentliche Debatte ordentlich an.

Dicke Luft herrscht vor allem in Bayern. 72 Prozent der CSU-Anhänger sind gegen ein Rauchverbot, ließ  das Münchner Institut für Marktforschung nun verlauten. Die Zeichen stehen auf Sturm. Wenn es um den blauen Dunst geht, pfeift Beckstein & Co. der kalte Wind um die Ohren. Viele Wirte sind entsetzt. Schon geistern im Internet Aktionen mit dem Titel "Keine CSU-Wahlversammlungen in unseren Wirtshäusern" umher. Bei soviel Kampfgetöse ist man dann schon überrascht, wenn der CDU-Europa-Politiker Karl-Heinz Florenz mutig fordert, die Kosten für die Gesundheitsfolgen des Rauchens an die Industrie weiterzugeben. Immerhin beläuft sich die Summe zu Lasten der Krankenkassen pro Raucher der Uni Hamburg zufolge auf etwa 144.000 Euro.

Doch Subventionen hin und Marktforschung her. Die Frage will gestellt sein: Muß soviel Gesundheitsschutz auch in der Eckkneipe sein? Für Renate Mitulla, Geschäftsführerin des Deutschen Gaststätten- und Hotelverbands, ist die Stoßrichtung klar. Sie warnt weiter vor einem Massensterben der Bierschwemmen: "Jeder zweiten Kneipe droht das Aus!" Grund: Nur die wenigsten verfügen über einen Nebenraum, um ein separates Tabakskollegium einzurichten. Und der Geschäftsführer vom Verband der Cigarettenindustrie, Ernst Brückner, setzt noch eins drauf: "Es ist nicht einzusehen, daß ein griesgrämiger Nichtraucher Raucher an einem Gaststättenbesuch hindert", maulte er in der Rheinischen Post. Und wie bei jedem Unbill preisen die Lobby-Vertreter die "persönliche Freiheit".

Halt, mein Freund! Wer wird denn gleich in die Luft gehen? fragte das HB-Männchen einst bei der Fluppenpause. Antwort: Die rauchenden Besucher des Oktoberfestes! Denn nun soll auch die Wiesn-Gaudi qualmfrei sein, damit die Gäste Alkohol und fette Haxen verzehren können, ohne ihre Gesundheit durch Rauch zu gefährden.

 "Dann muß man auch den Weihrauch in der Kirche verbieten", schimpfte der Sprecher der Wiesn-Wirte, Toni Roiderer, im Focus. Wenn er das zu laut wiederholt, liegt sicher bald eine entsprechende EU-Richtlinie vor.

Ein einheitlicher EU-Vorstoß zum Nichtraucherschutz freilich löste sich vorerst in Schall und Rauch auf. Deswegen haben die  Bundesländer nun ihre eigenen, hausgemachten Nichtraucherschutzgesetze. Und die treiben seltsame Blüten.

In Nordrhein-Westfalen etwa dürfen Raucher in der Eckkneipe im Nebenraum quarzen (falls kein "Luftaustausch" stattfindet). Weil Angestellten aber nicht zugemutet werden kann, den Nebel zu durchqueren, dürfen die Raucher im Nebenraum nicht bedient werden. Auch in den faschings- und karnevalsfreudigen Bundesländern ist man sich des feiernden Volkswillens nicht so sicher und verschiebt die rauchfreie Zeit auf die Tage danach.

Solche Eiertänze gibt es nicht nur bei uns: In Norwegen herrscht ebenfalls in der Gastronomie Rauchverbot - außer bei "Veranstaltungen". Weil es dafür aber keine Kriterien gibt, finden in vielen Kneipen pausenlos zufällig gerade irgendwelche "Kunstausstellungen" und ähnliches statt.

Doch gemach. Das Branchenfachmagazin Erfolgreiche Gastronomie heute gibt für seine Leser Entwarnung: Der Anteil der Nichtraucher in der Gesellschaft liege bei über 70 Prozent. Es gebe also viel mehr neue Gäste zu gewinnen  als zu verlieren.

Um aber auch die anderen 30 Prozent zu erhalten, kommen Kreative auf pfiffige Ideen. Wie die Wiener Firma Alco oder der schwäbische Wintergartenhersteller Wigatec, der jetzt seine exklusiven Raucherpavillons für Arbeitsplatz, Gastronomie und Krankenhaus vorstellte (keine Baugenehmigung erforderlich) - in attraktivem Design und mit Dunstabzug und Infrarotheizung.

Dagegen wirbt Deutschlands jüngster Nichtraucher Jopie Heesters (103) für mehr Toleranz: Obwohl er sich erst seit kurzem seine "fünf bis sechs Mentholzigaretten am Tag" verkneift, dürfe in seinem Haus jeder rauchen, erklärte er der Bunten.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen