© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/07 07. Dezember 2007

Die Vertreibung aus Palästina
Erbsünden im heiligen Land
Werner Olles

Wo liegen eigentlich die Gründe und Wurzeln des schwelenden Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern im Nahen Osten? Der Historiker und Politikwissenschaftler Ilan Pappe, einer der führenden Protagonisten der "Neuen israelischen Historiker", deren Programm in einer grundlegenden Revision der herkömmlichen und offiziellen Geschichtsschreibung des Zionismus und des Staates Israel besteht und die für einen "kritischen Ausgleich" mit den Palästinensern plädieren, legt mit seinem umfangreichen Werk "Die ethnische Säuberung Palästinas" (The Ethnic Cleansing of Palestine) eine akribisch recherchierte Analyse der Genesis dieses Konflikts vor, die derzeit in Israel eine leidenschaftlichen Kontroverse auslöst.

Beginnend mit dem von den Vereinten Nationen den Palästinensern 1948 aufgezwungenen Abkommen, das ihnen die Hälfte ihres Heimatlandes nahm, beschreibt der 1954 in Haifa als Sohn deutscher Juden geborene Autor, der nach wiederholten Konflikten mit der Universitätsleitung in Haifa inzwischen eine Professur für Geschichte an der Universität von Exeter in Großbritannien innehat, die am 10. März 1948 in Tel Aviv verabredete großangelegte ethnische Säuberungsaktion. Unter der Leitung von elf führenden zivilen und militärischen Vertretern der jüdischen Einwanderer, an der Spitze David Ben Gurion, der später der erste Premierminister Israels werden sollte, wurde ein detailliert festgelegter Masterplan, der Plan Dalet ("Plan D"), entworfen. Er beinhaltete, daß das Land, das bisher von einer arabischen Bevölkerung bewohnt und bewirtschaftet wurde, systematisch freigeräumt werden sollte für eine jüdische Besiedlung.

Hierzu war jedes Mittel recht. 531 Dörfer und elf städtische Siedlungen wurden mit Waffengewalt erobert, 800.000 Palästinenser zur Flucht gezwungen, die Häuser samt Mobiliar dem Erdboden gleichgemacht und die Ruinen anschließend vermint, damit die Vertriebenen nicht zurückkehren konnten. Es kam zu schrecklichen Massakern wie in den Dörfern Tantura, wo 1948 allein 230 palästinensische Zivilisten niedergemetzelt wurden, Deir Yassin, in Ayn al-Zaytun oder in Dawaymeh, wo das 89. Bataillon der Brigade Acht schlimmste Greueltaten an Männern, Frauen und Kindern verübte. Das Gemetzel von Dawymeh war das letzte große Massaker, das israelische Truppen bis 1956 verübten, als sie 49 Einwohner des Ortes Kfar Qassim, den Jordanien in einem Waffenstillstandsabkommen an Israel abtreten mußte, ermordet hatten.      

Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas. Zweitausendeins. Frankfurt am Main 2007, gebunden, 413 Seiten, 22 Euro


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