© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Kolumne
Keine ungerechte Verteilung
Norbert Geis

Alle sollen an allem teilhaben. Gleichberechtigung und Chancengleichheit, Soziale Gerechtigkeit und Umverteilung sind die großen Themen in den Talk-Runden.

Niemand will ernstlich das Sozialstaatsprinzip in Frage stellen. Selbstverständlich kann die Solidargemeinschaft nur dann bestehen, wenn sich die Bürger auch solidarisch verhalten. Dies gilt aber für alle Bürger. Es ist nur logisch, daß diejenigen, die viel erwirtschaften, auch den höheren Beitrag leisten, um den Einkommensschwachen eine Existenz zu sichern.

Wer aber ernstlich meint, daß es bei uns eine ungerechte Verteilung des jährlich erwirtschafteten Sozialproduktes gäbe, der verkennt die Tatsachen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln stellt in einer Studie fest, daß tatsächlich "drei Zehntel der einkommensstärksten Haushalte 61,9 Prozent aller Steuern und Abgaben finanzieren und 10,7 Prozent aller Transfers erhalten, während drei Zehntel der einkommensschwächsten Haushalte lediglich 5,3 Prozent der Abgabenlast schultern, aber 59,3 Prozent aller Transfers erhalten". Da kann von Ungerechtigkeit wohl kaum die Rede sein. Schon gar nicht, wenn man im Auge behält, daß in den Haushalten der Besserverdienenden in der Regel mehrere Personen zum Einkommen beitragen.

Der Staat kann nur das verteilen, was er vorher eingenommen hat. Wer also eine Transferleistung erhält, dem sollte bewußt sein, daß diese zwar vom Staat vergeben, aber doch von den eigenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zunächst finanziert werden muß. Diese Wahrheit gelangt jedoch nur noch selten in das Bewußtsein der Empfänger. Daran sind nicht so sehr die Empfänger selbst schuld, sondern eher der Staat, weil seine Transferleistungen oft so verdeckt erfolgen, daß sie nicht wahrgenommen werden. So kann leicht der Eindruck entstehen, daß für alles und jedes ein Anspruch auf staatliche Unterstützung besteht.

Wenn es in diesem Land immer noch möglich ist, daß in bestimmten gar nicht so seltenen Fällen derjenige mehr hat, der nicht arbeitet, als derjenige, der arbeitet, wenn sich nämlich Arbeit buchstäblich nicht lohnt, dann stimmt es bei uns mit der Gerechtigkeit nicht. Soziale Gerechtigkeit kann nur dann funktionieren, wenn auch alle Beteiligten ein Bewußtsein für solidarisches, eigenverantwortliches Handeln haben. Es schadet nicht, öfters darauf aufmerksam zu machen, daß das Sozialstaatsprinzip dank der Besserverdienenden überhaupt funktioniert.

 

Norbert Geis (CSU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und lebt als Rechtsanwalt in Aschaffenburg.


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