© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Ilan Pappé verläßt seine Heimat nach Drohungen gegen ihn wegen seiner Israel-Kritik
Flucht oder Vertreibung
Michael Wiesberg

Ich erhalte jeden Tag Drohanrufe. Zwar werde ich nicht direkt als Bedrohung für Israel angesehen, aber die Leute denken, daß ich entweder verrückt sein muß oder meine Auffassungen bedeutungslos sind. Viele Israelis glauben, daß ich als Söldner für die Araber arbeite." So erklärt der israelische Historiker Ilan Pappé, warum er seine Honorarprofessur an der Universität Haifa aufgegeben hat und Israel verläßt - vielleicht für immer.

Pappé folgt einem Ruf an die Universität Exeter in Großbritannien. Der laut der arabischen Zeitung The Peninsula, Katars führendem Printmedium, "einzige jüdische Akademiker in Israel, der den Zionismus vehement kritisiert", zog damit nun die Konsequenzen aus den jahrelangen Angriffen gegen seine Person. Diese Kontroversen hat Pappé, der wie Tom Segev oder Benny Morris zu "Israels neuen Historikern" zählt, selbst immer wieder angeheizt. Zuletzt mit seinem in Israel als Provokation empfunden Buch "The Ethnic Cleansing of Palestine" (2006), zu deutsch: "Die ethnische Säuberung Palästinas". Gemeint ist das bis heute von israelischer Seite als Flucht deklarierte Verlassen ihrer Heimat von 600.000 Palästinensern im Jahr 1948. Laut Pappé sind sie einem Verbrechen, einer systematischen Vertreibung zum Opfer gefallen, geplant von Staatschef Ben-Gurion, ausgeführt von israelischen Streitkräften, in deren Verlauf es auch zu Greueltaten an Arabern gekommen sein soll.  Allerdings kommen Einwände gegen Pappés Erkenntnisse auch von seriösen Historikern.

Und nicht erst mit diesem Buch gilt Pappé in Israel und in den jüdischen Gemeinschaften in aller Welt als Netzbeschmutzer. 1954 in Haifa geboren - seine Familie floh in den dreißiger Jahren aus Deutschland -, widmete er sich von Beginn seiner Karriere an den Umständen der Staatsgründung Israels. Diese sei, so Pappé, "eine Geschichte von Enteignung, von Kolonisierung, von Besatzung und von Ausweisung".

Zum ersten Male in die Schlagzeilen geriet Pappé, der sich 1996 bei den Wahlen zur Knesset für eine kommunistische Liste aufstellen ließ, Ende 2000 im Zusammenhang mit einem seiner Studenten, der behauptete, ein bis dahin unbekanntes Massaker an Palästinensern im Jahre 1948 aufgedeckt zu haben. Dieser Student sah sich in der Folge erheblichem Druck ausgesetzt; ihm wurde schließlich ein "nichtwissenschaftlicher M. A." zuerkannt. Pappé, der sich vor seinen Studenten stellte, behauptete, nur aufgrund internationalen Drucks nicht von der Universität entfernt worden zu sein. Endgültig in Ungnade fiel Pappé im Jahre 2005, als er aus "Protest gegen die Apartheidspolitik Israels" einen Boykottaufruf gegen israelische Universitäten unterstützte. Darunter wäre auch seine eigene gefallen, an der etwa zwanzig Prozent Palästinenser immatrikuliert sein sollen. Auch dieser Schritt führte aber noch nicht zum Ende seiner Lehrtätigkeit in Haifa, unter die er erst in diesem Jahr öffentlichkeitswirksam selbst einen Schlußstrich setzte.


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