© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Eine reine Schau-Veranstaltung
Innenministerkonferenz: Obwohl die Ressortschefs nur unverbindliche Empfehlungen geben können, beherrscht ihr Treffen die Medien
Paul Rosen

Konferenzen haben Saison. National erlebten wir bereits Atom-, Kohle-, Familien- und weitere Koalitionsgipfel, international gipfelt es gerade wegen des Klimas auf Bali und wegen der Beziehungen zu Afrika in Lissabon. Auch die deutschen Innenminister, voran Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), kamen zu einem Gipfeltreffen zusammen, dessen Nachrichten tagelang die Medien beherrschten. So soll die Scientology-Organisation, die sich selbst als Kirche bezeichnet, verboten werden. Und die NPD will man jetzt zwar nicht verbieten, aber wenigstens finanziell austrocknen.

Die in den Vereinigten Staaten entstandene Scientology hatte in den vergangenen Jahren kaum noch eine Rolle in den deutschen Medien gespielt. Ins Blickfeld geriet die Organisation erst wieder, als sie in Berlin eine Deutschland-Zentrale eröffnete und der Verdacht aufkam, Scientology wolle so Einfluß auf die Politik nehmen. Die Innenminister stellten nach Angaben des Berliner Innensenators Ehrhart Körting (SPD) einmütig fest, daß die Organisation "verfassungsfeindliche  Ziele" verfolge. Scientology sei "teilweise totalitär organisiert". Einige Mitglieder neigten zu "kriminellen Methoden", so der Berliner Innensenator. Die Erkenntnis der deutschen Innenminister, daß Scientology verfassungsfeindlich sei, ist nicht neu. Vor zehn Jahren hatten sie das auch schon festgestellt. Konsequenzen wurden daraus nicht gezogen.

Bei Fragen nach dem Verbot und dem Verbotsverfahren wichen Körting und seine Kollegen dann doch zurück. Erst müßten die Nachrichtendienste die Sache prüfen. Die Verbotsfrage sei gegenwärtig "nicht prioritär", im Mittelpunkt müßten Aufklärung und Prävention stehen, so wurde Körting zitiert. Betroffene müßten geschützt werden, verlangte der SPD-Politiker. Konkret heißt das, daß in Sachen Scientology wieder einmal gar nichts passieren wird - wie schon vor zehn Jahren. Die Innenministerkonferenz ist auch überhaupt nicht zuständig. Zuständig für das Verbot deutschlandweit tätiger Organisationen ist das Bundesinnenministerium.

Beim zweiten Thema ihrer Konferenz nutzten die Innenminister einen Pawlowschen Reflex der deutschen Öffentlichkeit. Man muß nur den Begriff NPD-Verbot verwenden, und schon bricht eine stürmische Debatte los. In diesem Fall war eine Mehrheit der deutschen Innenminister zwar der Ansicht, angesichts der negativen Erfahrungen mit dem Verbotsantrag 2003 vor dem Verfassungsgericht bringe ein neuer Verbotsantrag nichts, aber dafür gab es in einem zwölfseitigen Schreiben einer Arbeitsgruppe der Länder nützliche Tips für den Kampf gegen den Rechtsradikalismus: Darin wurde gefordert, man müsse Stiftungen, die "verfassungsfeindliche Bildungsinhalte" vermitteln, die staatlichen Gelder entziehen.

Das ist allenfalls eine Option für die Zukunft. Bisher gibt es keine Stiftungen im Bereich des Rechtsextremismus, die Gelder vom Staat erhalten würden. Umgekehrt könnte aber vielleicht ein Schuh daraus werden. Nach "verfassungsfeindlichen Bildungsinhalten" könnte zum Beispiel dann auch im linksextremen Spektrum und bei dort angesiedelten Stiftungen gesucht werden. Aber wiederum ist die Innenministerkonferenz kein Entscheidungsorgan in diesen Fragen. Für die staatliche Finanzierung von politischen Stiftungen auf Länderebene sind die jeweiligen Landesregierungen und Landtage zuständig. Bundesweit tätige politische Stiftungen können Geld aus dem Bundeshaushalt erhalten. Der wird bekanntlich vom Bundesfinanzministerium aufgestellt und vom Bundestag beschlossen.

Ebenso wie die diversen Gipfel bei der Bundeskanzlerin ist auch die Innenministerkonferenz kein Beschlußorgan des demokratischen Rechtsstaates. Es handelt sich um ein informelles Fachministertreffen, das unverbindliche Empfehlungen aussprechen kann. Angesichts des großen Kreises und der unterschiedlichen politischen Ausrichtung der Teilnehmer sind meistens nur Einigungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner oder Schau-Veranstaltungen möglich. Bezeichnend dafür ist der Verhalten der Runde beim wichtigsten Thema, das alle Bürger betrifft: Zu der von Schäuble geplanten Online-Durchsuchung, die er in ein Anti-Terror-Gesetz schreiben will, konnte man sich auf keine gemeinsame Position einigen.

Foto: Gruppenfoto der Innenminister der Länder vor dem Brandenburger Tor: Kein Beschlußorgan


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