© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Frisch gepresst

Hilfswerk. Ein winziges Segment aus der Geschichte des Dritten Reichs macht Jana Leichsenring zum Thema ihrer bei Wolfgang Benz an der TU Berlin eingereichten Dissertation: "Die Katholische Kirche und 'ihre Juden'. Das 'Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin' 1938-1945" (Metropol Verlag, Berlin 2007, broschiert, 349 Seiten, 22 Euro). Wie die in der Widerstandsforschung schon mit einschlägigen Publikationen auf den Plan getretene Verfasserin schnell verdeutlich, läßt sich die Arbeit über die katholischen Christen, die unabhängig ihrer Religion aufgrund der Nürnberger Rassegesetzgebung als Juden klassifiziert und verfolgt wurden, nur sehr bedingt als Korrektur der radikalen Thesen eines Daniel J. Goldhagen zur Rolle der Kirche Roms im NS-Staat lesen. Aufgrund ihrer Fallstudie, die das Resultat einer mit Bienenfleiß betriebenen Erschließung und Auswertung von bislang kaum beachteten Quellen ist, bringt Leichsenring die "Judenpolitik" der Berliner Kirchenoberen auf den Begriff des "Attentismus", einer "abwartenden Haltung" also, was bei der von ihr nachgewiesenen Kenntnis des den Schutzbefohlenen drohenden Vernichtungsschicksals nicht vom Walten christlicher Nächstenliebe zeugt - ungeachtet mancher lebensrettender Hilfeleistung im Einzelfall.

 

Universität Freiburg. Hatte sich die Universität Greifswald 2006 zu ihrem 550jährigen Gründungsjubiläum mit einer zweibändigen Festschrift beschenkt, übertrumpft sie die nur ein Jahr jüngere Freiburger Schwester nun mit stattlichen fünf Bänden. Für den zeithistorisch Interessierten ist der von Bernd Martin herausgegebene dritte Band der wichtigste, der, nachdem einige Aufsätze das 19. Jahrhundert im Eilschritt durchquert haben, mit Studien zur Disziplingeschiche aus der Zeit der Weltkriege die Aufmerksamkeit fesselt (550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Von der badischen Landesuniversität zur Hochschule des 21. Jahrhunderts. Verlag Karl Alber, Freiburg/München 2007, gebunden, 832 Seiten, 49 Euro). Natürlich nimmt hier wieder das "Rektorat Heidegger" 1933/34 eine prominente Stelle ein, ohne daß Bernd Martin, der hierzu schon mehrfach Stellung bezogen hat, sowie - ideologisch stark gebunden - aus katholischer Sicht Holger Zaborowski dazu erhellend Neues zu sagen wüßten. Das Gros der Beiträger wendet sich dem Zusammenhang von Wissenschaft und Politik zwischen 1914 und 1945 auf dem Terrain der hochkarätig besetzten medizinischen und naturwissenschaftlichen Fächer zu, die bislang, sieht man von Eduard Seidlers Monographie zur Geschichte der Medizinischen Fakultät (1991) ab, historiographisch ganz im "Schatten Heideggers" standen.


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