© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Silberstreif oder Wetterleuchten
Demographie: Für Familienministerin Ursula von der Leyen ist der Anstieg der Geburtenzahlen in Deutschland ein Erfolg ihres Elterngeldes
Michael Weis

Seit fast einem Jahr gibt es nunmehr das Elterngeld, das vor allem eines leisten sollte: Die Deutschen sollten wieder mehr Kinder bekommen (siehe auch den Kommentar auf Seite 2 und den Artikel auf Seite 6).

Dieses Ziel, von dem mehr als nur einer in Deutschland dachte, es sei mit rein finanziellen Anreizen nicht zu verwirklichen, scheint nun tatsächlich erreicht. So wurden beispielsweise zwischen Januar und August dieses Jahres alleine in Berlin 19.579 Kinder geboren - 4,6 Prozent mehr als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Deutschlandweit nahm die Zahl der Geburten zwar von 2007 im Vergleich zum Vorjahr um schätzungsweise 1.700 ab, doch erblickten damit immer noch etwa 9.300 Kinder mehr das Licht der Welt, als infolge des Bevölkerungsrückganges ursprünglich erwartet wurde.

Erfreulicherweise sank außerdem auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche auf etwa 4.300. Unter Berücksichtigung der demographischen Veränderungen sind dies etwa 2.400 weniger Abtreibungen als 2006, was zeigt, daß die Bereitschaft, auch ungeplante Kinder auszutragen, erheblich gewachsen ist. Und nicht nur das, auch der Wunsch oder zumindest die Bereitschaft, zukünftig Kinder zu bekommen, sind laut aktuellen Umfragen gestiegen. Mehr und mehr Alleinstehende, aber auch Paare wünschen sich demnach Nachwuchs oder planen, demnächst ein Kind in die Welt zu setzen.

Für Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist diese Entwicklung selbstverständlich in erster Linie ein Erfolg des von ihr in die Wege geleiteten Elterngeldes. In ihrer am vergangenen Freitag in Berlin gezogenen Bilanz verkündete sie darum: "Das Elterngeld wird in der Bevölkerung immer beliebter." Es habe seit seiner Einführung den Wunsch nach Kindern erhöht, was "ein Silberstreif am Horizont" sei. Unter Bezug auf die erstmals seit zehn Jahren gestiegenen Geburtenzahl machte sie deutlich, daß die Steigerung erst ein ganz zartes Pflänzchen sei, von dem sie jedoch hoffe, "daß daraus ein stabiler Trend wird". Hierfür sei der angestrebte massive Ausbau der Kinderbetreuung unerläßlich.

Besonders begeistert zeigte sich die Ministerin ferner von der wachsenden Bereitschaft von Vätern, das Elterngeld in Anspruch zu nehmen. Das Programm habe "eine Bresche für junge Väter geschlagen", was sich darin zeige, daß mehr als 40 Prozent der Väter die Elternzeit länger als zwei Monate nutzten. Der dadurch gesprengte Etat sei "das Beste, was diesem Land passieren kann".

Mit ihren Einschätzungen ist von der Leyen nicht alleine. Der Direktor des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung, Bertram Häussler, sieht ebenfalls im neu eingeführten Elterngeld die einzige Erklärung dafür, daß die Geburtenrate gerade jetzt gestiegen ist. Schließlich seien es insbesondere die Frauen im Alter von 25 bis 39 Jahren - also die Hauptzielgruppe des Elterngeldes -, welche sich neuerdings vermehrt Kinder wünschten.

Es bleiben einige Wermutstropfen

Bei aller ob der steigenden Geburtenzahlen gebotenen Freude über mehr Kinder in Deutschland bleiben aber auch einige Wermutstropfen: Zunächst einmal kann sicherlich noch nicht von einer Geburtenwelle gesprochen werden. Die Zahl der Deutschen sinkt schließlich weiterhin rapide - ein Fakt, den auch die neuen Zahlen nicht beschönigen können. Darüber hinaus vermag heute niemand vorherzusagen, ob der angestoßene positive Trend tatsächlich von Dauer sein wird oder nicht doch - wie von einigen Experten vermutet - eine Folge des "Sommermärchens" ist, der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Schließlich ist der Wunsch nach Kindern und einer Familie trotz der offensichtlichen Notwendigkeit finanzieller Absicherung immer noch eine Frage gesellschaftlicher Werte und Grundeinstellungen. Und diese haben sich durch das Elterngeld sicherlich nicht zum Positiven verändert. Es wirft sogar eher ein negatives Licht auf die Gesellschaft, wenn vor allem Geld den Kinderwunsch befördert.

Zu guter Letzt ist es für die Anhänger des klassischen Familienbildes überaus bedenklich mit anzusehen, daß sich Ursula von der Leyen mit ihrem von "Gender Mainstreaming" geleiteten Konzept der Umstrukturierung der deutschen Familie und Gesellschaft vermehrt durchzusetzen scheint. Denn auch wenn es jedem Vater freisteht, sich für seine Kinder und für eine Hausmannsrolle zu entscheiden, gleicht der durch das Elterngeld eingeleitete Trend einer Zwangs-umerziehung, die weder dem Liberalen noch dem Konservativen wirklich recht sein kann.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen