© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

WIRTSCHAFT
Unsoziale Marktwirtschaft
Jens Jessen

Wettbewerb gegen einen Konkurrenten mit unmoralisch niedrigen Löhnen führen zu wollen, widerspricht jeglichem Anstand. Das gilt sowohl gegenüber den Mitarbeitern als auch gegenüber den Wettbewerbern. Wie haben sich doch alle über die Dumpinglöhne in China erregt. Jetzt sollen die Löhne beispielsweise von manchen Postdienstleistern nicht das sein, was sie sind: Dumpinglöhne. Immer mehr Niedrigverdiener können davon nur dann leben, wenn sie eine Aufstockung durch Arbeitslosengeld II und damit von der Allgemeinheit erhalten. Das ist nichts anderes als subventionierter, unlauterer Wettbewerb auf der Basis eines falschen Geschäftsmodells, das es verdient hat, unterzugehen. Vielleicht sollten die Niedriglohnzahler die Politik nicht mit Entlassungsdrohungen erpressen, sondern der Deutschen Post AG durch besseren Service, schnellere Lieferung und mehr Kundenfreundlichkeit Nachfrager abspenstig machen. Qualitätswettbewerb ist teuer, hat sich bisher aber im Dienstleistungssektor in der Regel ausgezahlt.

Nun gibt es natürlich das Argument, ohne staatliche Subventionierung der Löhne hätten die Niedriglohnbeschäftigten überhaupt keine Arbeit. Das ist ein gewagtes Angebot an andere Arbeitgeber, die das Modell der staatlichen Zuzahlung zum betrieblichen Lohn vielleicht ganz interessant finden könnten, um "wettbewerbsfähiger" zu werden. Eine Gesellschaft, in der es weder obszön hohe noch beschämend kleine Einkommen gibt, vermittelt das Gefühl der Teilhabe aller Schichten am Wirtschaftssystem. Niedrigstlöhne und ausufernde Managergehälter waren in der Sozialen Marktwirtschaft, die es bis 1990 in Westdeutschland gab, unanständig. Deshalb muß dieses erfolgreiche Wirtschaftsmodell wiederbelebt werden.


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