© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/08 04. Januar 2008

Verfassungsschutz
Neue Quelle des Mißbrauchs
Dieter Stein

Die Notiz im Nachrichtenmagazin Spiegel, erschienen schon am 26. November des vergangenen Jahres, las sich oberflächlich wenig spektakulär. Bislang hat sie auch keine Wellen geschlagen. Unter der Überschrift "Reform des Verfassungsschutzes" berichtet das Blatt über eine vom Ex-BND-Chef und jetzigen Staatssekretär im Innenministerium, August Hanning, betriebene Neuorganisation des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Pompös ist dort davon die Rede, bis 2009 die "operative Leistungsfähigkeit des BfV deutlich erhöhen" zu wollen.

Quasi im Kleingedruckten steckt eine politische Bombe: Der Spiegel erwähnt, daß der Inlandsgeheimdienst eine "Fokussierung auf die Kernaufgabe" des islamischen Terrorismus plane. Das klingt löblich. Allmählich scheint sich herumgesprochen zu haben, daß militante Islamisten die Hauptbedrohung für die innere Stabilität der europäischen Staaten darstellen. Jetzt will man die "Beobachtung von radikalen, aber nicht gewaltorientierten linken oder rechten Gruppierungen" einfach "auslagern" - nämlich an die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).

Warum steckt hierin ein eminenter Skandal? Erstens offenbart sich, daß ein ganz erheblicher Teil der "Aufklärungsarbeit" des Verfassungsschutzes in einer Denunziationstätigkeit gegenüber politisch mißliebigen Gruppierungen besteht, die offenbar auch in der Vergangenheit nie eine ernste Bedrohung für Demokratie und Verfassungsordnung darstellten. Warum lagert man diese Tätigkeit nun aber an eine zweite Bundesbehörde aus?

Experten sehen als Hauptursache die von der JUNGEN FREIHEIT in einem zehnjährigen Prozeß erstrittene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Jahr 2005. Karlsruhe stellte hier nämlich erstmals fest, daß das An-den-Pranger-Stellen im Verfassungsschutzbericht einen massiven Eingriff in demokratische Grundrechte darstellt, und hat hierfür erhöhte Hürden definiert. Seit dieser Karlsruher Entscheidung ist den Innenministerien das zum Mißbrauch verleitende Instrument des Verfassungsschutzberichts zur öffentlichen Ächtung von Gruppierungen oder Publikationen, denen lediglich "Anhaltspunkte für den Verdacht" auf extremistische Orientierung unterstellt werden, praktisch untersagt.

Deshalb hat schon der umstrittene SPD-Linksaußen Stephan Braun Mitte des Jahres mit seinem inzwischen gestoppten Buch gegen die JF gefordert, künftig die Aufklärung der Öffentlichkeit über die "Gefährlichkeit" dieser Zeitung über Landeszentralen für politische Bildung abzuwickeln. Einfach, weil sich der politische Gegner leichter mit dem Gütesiegel des Staates diskriminieren läßt. Und dies auch noch völlig einseitig.

Bereits jetzt (siehe Bericht auf Seite 4) publiziert die Bundeszentrale für politische Bildung nahezu ausschließlich Beiträge gegen Rechtsextremismus (während es ein Kapitel "Linksextremismus" nicht gibt) und empfiehlt Bücher aus linksextremen Verlagen zur Aufklärung. Übrigens: Diese Behörde untersteht CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble.


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