© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

Entrüstungsdrang
Manager-Vergütungen: Handlungsbedarf besteht woanders
Klaus Peter Krause

Haben Konzernlenker verdient, was sie verdienen? Diese Frage bewegt die öffentliche Diskussion über hohe Manager-Bezüge seit Wochen. Folglich ist sie auch zu einem politischen Thema geworden. In der Tat, exorbitant hohe Gehälter, Erfolgsbeteiligungen, Aktienoptionen, Abfindungen und üppige Pensionszusagen eignen sich trefflich, um sich zu empören, Neidreflexe zu bedienen und die öffentliche Aufmerksamkeit von weit wichtigeren anderen Staatsaufgaben abzulenken. Ein Zug wurde in Fahrt gebracht, und alle sprangen auf.

Wohl bewegen sich die Vergütungen mancher Vorstände großer Aktiengesellschaften in Größenordnungen, die die üblichen Maßstäbe sprengen und in keinem akzeptablen Verhältnis zur erbrachten Leistung zu stehen scheinen. Kaum streitig ist ein Fall wie Jürgen Schrempp (DaimlerChrysler), zumindest anrüchig ein Beispiel wie Klaus Esser (Mannesmann) oder jüngst das IKB-Desaster und alles andere als rühmlich, daß die Siemens AG viele Beschäftigte entlassen, aber der Aufsichtsrat unter dem Vorsitzenden Heinrich von Pierer die Vorstandsgehälter deutlich erhöht hat, was wie eine Belohnung für diese Entlassungen wirken mußte.

Dagegen ist die Steigerung von Unternehmenswert und Gewinn der Porsche AG um ein Vielfaches, das Sichern der Arbeitsplätze und die Sonderzahlungen an die Beschäftigten unter dem Vorstandsvorsitz von Wendelin Wiedeking seit 1992 eine wirkliche unternehmerische Leistung. Deshalb darf sein Salär bis zu 60 Millionen Euro im Jahr sogar als sehr hohes Erfolgshonorar durchaus als leistungsgerecht, also als wirtschaftlich vertretbar gelten; immerhin steckte Porsche, als Wiedeking antrat, tief in den roten Zahlen.

Anders wiederum das Beispiel Klaus-Peter Müller, der vom Vorstandsvorsitz der Commerzbank AG jetzt vorzeitig in den Aufsichtsratsvorsitz der Bank wechselt, obwohl sein Vertrag bis 2010 läuft und er damit auf zweimal 3,5 Millionen Euro Jahresgehalt verzichtet - sich als Aufsichtsratsvorsitzender mit jährlich 230.000 Euro begnügt. Müller verweist auch darauf, daß das Vorstandsgehalt in zwei der letzten sechs Jahre um bis zu 40 Prozent gekürzt wurde, "weil wir nicht erfolgreich waren".

Aber Beispiele wie Schrempp, Esser, Siemens und IKB müssen dafür herhalten, die gesamte Besoldung von Unternehmensführern in Verruf zu bringen. In den öffentlichen Blick genommen werden meist nur diese spektakulären Fälle. Dann ist die Bevölkerung versucht, sie zu verallgemeinern, oder sie wird von politischen Rattenfängern dazu verführt, es zu tun. Was den Normalfall darstellt, was keine Schlagzeilen liefert, was keine politische Agitation ermöglicht, bleibt un- oder unterbelichtet. Die öffentliche Wahrnehmung ist verzerrt. Folglich gerät nur schwer ins Bewußtsein, daß der Großteil der deutschen Vorstandsbezüge mit den "Ausreißern" in den 100 führenden Unternehmen oder in den 30 Dax-Konzernen nichts zu tun hat und daß der Abstand dieser Bezüge zum allgemeinen Gehaltsniveau fast unverändert geblieben ist.

Unter diesen Umständen verwundert es nicht, wenn nach einer Umfrage der Forsa-Gesellschaft von Dezember 2007 immerhin 70 Prozent der befragten Bundesbürger dafür sind, die Manager-Gehälter gesetzlich zu begrenzen, darunter auch zwei Drittel der CDU/CSU-Anhänger. Hier mag sich das Gefühl niederschlagen, zu kurz zu kommen, mögen also auch Mißgunst und Neid eine Rolle spielen, ebenso die über die Medien vermittelte Wahrnehmung, der Abstand zwischen dem eigenen Einkommen und den Manager-Einkommen werde immer größer. Diese wachsende Ungleichheit sowie die Ohnmacht, an ihr - trotz der an sich bestehenden Chancengleichheit - nichts ändern zu können, wird dann als schreiende Ungerechtigkeit empfunden, und Empörung ist die Folge.

Merkwürdig nur, daß sich diese Empfindungen nicht ebenso äußern gegenüber den Einkommen von Spitzenfußballern, Profi-Golfern, Pop-Sängern, Filmstars und anderen Ikonen der Spaßgesellschaft, obwohl die doch ebensoviel oder auch mehr verdienen als jene inkriminierten Spitzen-Manager und dabei sogar weniger Verantwortung tragen als diese Unternehmensleiter. Also scheint denen mehr angelastet zu werden als nur die dicken Bezüge. Dazu mögen die Massenentlassungen der vergangenen Jahre gehören, das Verlagern von Betriebsteilen ins Ausland sowie andere Folgen der Globalisierung, woran aber auch die Politik ihren erheblichen Anteil hat. Manager stehen somit da als gefühllose, kalte Maximierer des eigenen Nutzens zu Lasten von Volk und Vaterland. Gelegentlich selbstherrliches, arrogantes Auftreten des einen oder anderen vor der Öffentlichkeit hat ein übriges getan.

Man glaubt, die dankbare Hingabe zu spüren, mit der Politiker diesen großen Volkszorn aufgreifen, um auch hiermit ihren üblichen Entrüstungsdrang auszuleben und Wählerfang zu betreiben. Manager zu schelten und sie als Prügelknaben zu benutzen, lenkt höchst wirksam davon ab, daß gerade die Große Koalition mit immer höheren Belastungen durch Steuern und vorgetäuschte Öko-Abgaben dafür sorgt, daß die Normalverdiener nicht mehr, sondern immer weniger Geld zur Verfügung haben. Die von Politikern ebenfalls beklagte steigende Armut hat nicht zuletzt auch darin ihren Grund. Der wirkliche Handlungsbedarf besteht bei diesen Belastungen.

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