© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

Englisch wird zur Minderheitensprache
Großbritannien: In London liegt der Anteil weißer Briten an der Wohnbevölkerung unter 60 Prozent / Unlösbare Integrationsprobleme
Victor Gaché

Zwischen den Jahren schockierte ein Mord an einem Jugendlichen London. Ein 16jähriger wurde erstochen. Es war nicht der erste Fall dieser Art, sondern einer von vielen - 27 im Jahr 2007, um genau zu sein. Damit wurde statistisch gesehen alle zwei Wochen in London ein Jugendlicher erstochen oder erschossen. Die Öffentlichkeit und die Behörden reagieren entsetzt und hilflos zugleich.

Am 21. Januar tritt Steven Patrick Morrissey wieder in diesem brutalen London auf. Insgesamt neunmal wird der frühere Frontsänger der Band The Smiths im Vereinigten Königreich auf der Bühne stehen, dann kommen noch einige Stationen in Frankreich, dann geht es nach Hause: nach Rom.

Der 48jährige Künstler, zu dessen Fans laut Daily Mail auch Tory-Chef David Cameron gehört, mag nicht mehr in London leben. In einem Interview mit der Musikzeitschrift NME hat er Ende November seine Beweggründe für den Fortzug aus der Millionenmetropole an der Themse dargelegt (JF 50/07). "Die Veränderung", sagt er, "geht zu schnell vor sich - verglichen mit den Veränderungen in anderen Ländern." Er meint die ethnische Transformation, die "Immigranten-Explosion", wie er sie nennt.

In der britischen Hauptstadt ist der Anteil weißer Briten an der Gesamtbevölkerung bereits unter die 60-Prozent-Marke gefallen. Mit dem anhaltenden Zuzug dürften auch 50 Prozent bald unterschritten sein. Neben Osteuropäern, darunter viele Polen, kommen auch immer noch Inder und andere Menschen aus den ehemaligen Kolonien nach London.

Das Zusammenleben gestaltet sich zunehmend schwierig in so einem multikulturellen Umfeld. An 1.300 britischen Schulen ist Englisch bereits eine Minderheitensprache. In London-Newham etwa beispielsweise sind laut Daily Mail 87 Prozent der Schüler nicht-englischsprachig.

Der Generalsekretär des britischen Lehrerverbandes, Philip Parkin, verwendete ebenfalls das Morrissey-Wort, als er erklärte: "Die Zahl der Kinder, die Englisch nicht als erste Sprache sprechen, ist in den letzten Jahren explodiert." Die Kosten für die Ausbildung eines nicht-englischsprachigen Kindes betragen 30.000 Pfund, die für ein normales englischsprachiges Kind nur 4.000 Pfund. Dementsprechend kosten die Londoner Schulen, "an denen Dutzende von Sprachen gesprochen werden", den Staat Unsummen.

Unter der Schirmherrschaft der politischen Korrektheit stellen die neuen Zuwanderer immer weitergehende Ansprüche. So bieten neuerdings zwei britische Krankenhäuser ihren Patienten sogar an, daß sie ihre Betten nach Mekka ausrichten können. Das Nationale Gesundheitssystem investiert bereits Geld, um das Pflegepersonal auf die multikulturellen Herausforderungen optimal vorzubereiten.

Aber nicht nur die schwierige Situation an Schulen macht den Briten zu schaffen. Vor allem die ausufernde Kriminalität sorgt für Unruhe. Sie geht zum großen Teil von Migranten aus und verschlechtert die Lebensqualität in der Themse-Metropole ungemein. Wir sehen zwar aus London keine Bilder wie aus Paris und seinen Vorstädten, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß London zu den gefährlichsten Städten Europas gehört! Der European Crime and Safety Survey (Europäischer Kriminalitäts- und Sicherheitsbericht), der vor einem knappen Jahr erschien, brachte dies zutage.

32 Prozent aller Londoner bejahten die Frage, ob sie im zurückliegenden Jahr mindestens einmal Opfer einer Straftat geworden sind. Nirgendwo gab es mehr Kriminalitätsopfer als in London. Dagegen lagen Berlin (19 Prozent) und Paris (18 Prozent) im Mittelfeld, Lissabon (10 Prozent) und Zagreb (12 Prozent) am unteren Ende der Tabelle. England führte vor allem bei den Autodiebstählen, Einbrüchen und Drogendelikten die EU-Statistik (EU15 plus Polen, Ungarn, Estland) an.

Besonders vor den Messerverbrechen zittert England. Mindestens zwanzig junge Leute sind 2007 bei Messerstechereien getötet worden. Die Vielzahl der Vorfälle ist ein großes Thema in der britischen Öffentlichkeit. Messerstechereien ereignen sich vor allem in den Armenvierteln, vorzugsweise mit vielen Einwanderern. Kürzlich hat das Centre for Crime and Justice am King's College seinen zweiten Bericht dazu vorgelegt. Weil es keine überzeugende Strategie gebe, seien noch keine geeigneten Maßnahmen gegen die Messerverbrechen erfolgt, so das Institut.

Indes geht aus einer im Dezember vorgestellten Scotland-Yard-Statistik hervor, daß 55 Prozent aller Mord-Tatverdächtigen der zwischen April und September begangenen Delikte nicht-englischer Herkunft sind. Folgende Herkunftsländer wurden unter anderem genannt: Peru, China, Rumänien, Litauen, Nigeria, Sri Lanka, Pakistan und Bangladesch. Vor allem aber albanische Einwanderer machen den Ermittlern das Leben schwer - einmal wegen der "kulturellen Unterschiede", wenn es beispielsweise um "Ehrenmorde" geht, und zum anderen wegen der Sprachbarriere. Der Etat, den Scotland Yard für Dolmetscher aufbringen muß, beträgt bereits eine Million Pfund jährlich.

Sänger Morrissey hat diese Veränderung seiner früheren Heimat so erlebt: "Wenn du an einem beliebigen Wochentag durch Knightsbridge gehst, dann wirst du keinen englischen Akzent mehr hören. Du hörst jeden Akzent unter der Sonne - außer britischem." Während andere Länder eine "Basis-Identität" behalten hätten, würfen die Briten sie weg. Deswegen sei England für ihn jetzt nur noch "eine Erinnerung".

Foto: Muslime vor Londoner Regent's Park Moschee: "Hier hörst du keinen englischen Akzent mehr"

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