© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

WIRTSCHAFT
Relative Armut
Jens Jessen

Vor acht Jahren hat der Bundestag die Bundesregierung beauftragt, regelmäßig einen "Armuts- und Reichtumsbericht" zu erstatten. Zwei solche Expertisen sind bislang erschienen. Doch hinter jedem Armuts- und Reichtumsbegriff und den dafür verwandten Meßverfahren verbergen sich immer auch Wert­überzeugungen. In Deutschland liegt das durchschnittliche Wohlstandsniveau weit über dem physischen Existenzminimum. Würde die Definition der Weltbank für Armut zugrunde gelegt (ein Dollar pro Person pro Tag), so gäbe es keine Armut in Deutschland. Wird die von Caritas und DGB benutzt, steigt die Armut in diesem reichen Land von Jahr zu Jahr. Die EU-Mitgliedsstaaten wenden eine "Armutsrisikoquote" an, die sich an dem Anteil der Personen in Haushalten orientiert, deren "bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen" unter 60 Prozent des Mittelwertes aller Personen liegt. Die auf der EU-Basis für das Jahr 2003 errechnete Armutsrisikogrenze lag bei 928 Euro.

Diese Größe sagt jedoch in erster Linie etwas über die Einkommensverteilung in Deutschland aus. Die Einkommensressourcen, die zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse erforderlich sind, bleiben dabei außen vor. Insbesondere Arbeitslosigkeit hat in den letzten Jahren zu Armut geführt, welche die Betroffenen daran hindert, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Eine sozial gerechte Politik hat sich deshalb vorrangig an der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und der Integration von Erwerblosen in den Arbeitsmarkt messen zu lassen. Die Bekämpfung von Armut kann und darf sich nicht im Ausgleich ökonomischer Ungleichheit erschöpfen, weil dauerhafte Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge zu einem dauerhaft bestehenden Armutsrisiko führt.

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