© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

Polen, du machst es besser
Von Churchill zu Chipperfield: Der britische Architekt möchte die Kriegswunde auf dem Berliner Schloßplatz offenhalten
Thorsten Hinz

Die europäische Einigung und die gesamteuropäische Perspektive hin oder her - es gibt Dinge, die sind absolut unstatthaft. Als die Polen vor dreißig Jahren ihr kriegszerstörtes Warschauer Königsschloß wiederaufzubauen begannen, gab es in Deutschland keinen, der es gewagt hätte, sich über eine rückwärtsgewandte polnische Stadtplanung zu mokieren und für Warschau eine zeitgemäße, moderne Architektur zu empfehlen.

Das hätte dem Faß ja auch den Boden ausgeschlagen! Schließlich war dieses polnische Nationalsymbol von Deutschen zerstört worden. Ein derartiger Ratschlag an die Polen wäre auf die Empfehlung hinausgelaufen, Adolf Hitlers Ratschlüsse dauerhaft als bindend anzuerkennen.

Dem britischen Architekten David Chipperfield liegen solche Bedenken fern. Nicht genug, daß Winston Churchills Bombenkrieg in vielen deutschen Städten zu Warschauer Verhältnissen geführt hat - Herr Chipperfield möchte diesen Zustand verewigen. Den Beschluß des Bundestags, die Kriegswunde auf dem Berliner Schloßplatz durch einen historisch inspirierten Wiederaufbau zu heilen, hält er für übereilt. Dem Spiegel sagte er unlängst, man hätte sich für das Projekt ruhig "weitere zehn Jahre Zeit" nehmen sollen. "Aber das paßt offenbar nicht zur deutschen Mentalität. Die Deutschen finden ja wohl nicht in den Schlaf, solange diese Lücke mitten in Berlin nicht geschlossen ist."

Genauso ist es, und zwar Gott sei Dank! Chipperfield mag das als Beleg dafür nehmen, daß die Deutschen ihre historische Lektion noch immer nicht gelernt haben - die Perfidie sei ihm unbenommen -, aber es geziemt sich für ihn als Briten, in dieser Causa die Klappe zu halten, so wie die Deutschen gegenüber den Polen zum Warschauer Königsschloß den Mund gehalten haben.

Der besondere, nur in der BRD mögliche Witz daran ist, daß Chipperfield in ebenjener Jury sitzt, die über die endgültige Gestaltung des Berliner Schloßplatzes befinden soll. Die Bundesregierung, die die Interessen des deutschen Bürgers und Steuerzahlers vertritt, sollte nicht zögern, ihn aufzufordern, dieses Gremium umgehend zu verlassen.

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