© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

"Ich war eigentlich immer dagegen"
Keine Angst vor dem Ernstfall / Teil I: Dem heimatlosen Rechten Günter Maschke zum 65. Geburtstag
Karlheinz Weissmann

Beim "Marburger Diskurs" - einem Versuch rechter Graswurzelrevolution in den frühen neunziger Jahren - kam es zu der denkwürdigen Szene, daß Günter Maschke, als linke Störer ihn am Reden hindern wollten, die Krakeeler mit dem Satz zum Verstummen brachte: "Also, ich bin Faschist - können wir jetzt anfangen?" Unter den vielen bösen Worten Maschkes ist das ein selten zitiertes, vielleicht, weil das Internet damals noch keine Bedeutung hatte, was die Möglichkeit des ewigen Rückgriffs mindert. Aber vielleicht hatten sich die Antifaschisten auch einen Rest von Gespür bewahrt und erkannten eine Provokation und daß hier einer tat, was sie sonst selbst gerne taten: épater le bourgeois, "den Spießer aus der Fassung bringen".

Darin hat Maschke lange Übung, er war weit vor dem Jahr '68 ein Linker, schon mit sechzehn Jahren in der illegalen KPD und Ostermarschierer, Hörer bei Ernst Bloch und Redakteur einer marxistischen Studentenzeitung in Tübingen und dann in der Subversiven Aktion, einem Vorläufer der legendären Kommune 1. Keiner hat so kurzweilig über diese Anfänge geschrieben, über die Spinner und Enthusiasten, die Albern-Antiautoritären, die Früh-Korrumpierten und die Schläger, die Raubdrucker und die, die von der Finanzierung der Revolution mittels Pornographie träumten. Die Subversive Aktion war als Vorbereitung des großen Umsturzes gedacht, eine lockere, aber elitäre Gruppe, die mittels Zersetzung und Happening arbeitete. Für ein ruppiges Flugblatt gegen den Katholikentag in Köln 1964 zeichnete Maschke schon verantwortlich, und es folgten ein paar Monate Haft wegen Gotteslästerung. Kurz engagierte er sich noch im SDS, der damals zum Sammelpunkt der Aktivisten wurde, aber damit war das Vorspiel beendet. Es folgte der dramatische Einschnitt.

1965 desertierte Maschke aus der Bundeswehr und floh nach Paris, konnte dort allerdings nicht bleiben, weil selbst kommunistische Großdenker vor der revolutionären Praxis qua Beherbergung eines Gesuchten zurückscheuten. Die Odyssee führte weiter nach Zürich, dann nach Wien, und im Café Hawelka gehörte Maschke bald zu den Zentralfiguren der Neuen Linken zwischen KPÖ und SPÖ und vermittelte den österreichischen Genossen die Erfahrung der deutschen.

Erst nach zwei Jahren wurde er durch die Behörden festgesetzt. Seine Anhänger veranstalteten deshalb ein Go-In an der Wiener Universität mitsamt Theaterspiel, in dem die denkwürdigen Sätze fielen: "Es lebe Günter Maschke und seine Taten. / Er war der Messias, den wir erbaten." Ein Sitzstreik vor dem Polizeigefängnis verhinderte die geplante Auslieferung an die Bundesrepublik, und die österreichischen Behörden erlaubten Maschke die Abreise nach Kuba, dem einzigen Staat, der bereit war, ihm Asyl zu gewähren.

Die Armut und der totalitäre Charakter des dortigen Systems behagten ihm aber sowenig wie das kapitalistische Westdeutschland. Wegen "konterrevolutionärer Verschwörung" erneut inhaftiert, schob ihn die kubanische Regierung nach Madrid ab. Schließlich kehrte Maschke in die Bundesrepublik zurück, trat die ausstehende Gefängnisstrafe an und sah sich, wieder in Freiheit, einem Land gegenüber, das nach APO, Studentenrevolte und "Machtwechsel" sehr anders aussah als zu Beginn der sechziger Jahre. Für einen Moment schien er guten Willens, sich dem anzupassen, trat sogar dem Juso-Ortsverband Frankfurt-Sachsenhausen bei, aber erkannte seinen Irrtum rasch. Rückblickend äußerte Maschke: "ich wurde dann immer konservativer, habe schließlich eine theoretische Basis für meine Affekte gesucht ...".

Die sollte er in den Schriften Carl Schmitts finden, aber die Abkehr von der Linken vollzog sich nicht in einem Akt, sondern zögerlich - auch aus "Angst vor 'ideologischer Einsamkeit'". Maschkes Suchbewegung läßt sich noch gut anhand der Texte nachvollziehen, die er von der Mitte der siebziger bis zur Mitte der achtziger Jahre geschrieben hat. Am Anfang stand Selbstkritik, durchaus noch im marxistischen Jargon, dann eine deutlichere Distanzierung von der Linken und weiter ein auffälliges Interesse an den "Neokonservativen", das diese - der Laufbahn Maschkes eingedenk - erheblich irritierte: "Seit etwa zwei Jahren also taucht Maschke dort auf, wo Konservative sind. Man weiß nicht, kommt er als objektiver Berichterstatter oder als Kampfgefährte oder als weltgeschichtliche Richter-Instanz. Eine pantagruelische Gestalt, mit jovialer Kontaktbegabung, doch bei näherem Hinsehen wird hinter Falstaff eine nie aussetzende Nervosität, eine tiefe Langeweile spürbar. Die Rechte ist offensichtlich nicht so, wie er sie sich drüben, von ferne vorgestellt hatte. Sie verteidigt keinen Alcázar gegen die Roten, sie marschiert nicht mehr durchs Eastend, bietet keine blitzeblanke Diktatur. Und die bösen Bücher sind gar nicht so bös, wie man gehofft hatte; außerdem sind sie nicht so genau und pedantisch vollständig wie die Bücher, die man in die Mülltonnen von Havanna geschmissen hatte." (Armin Mohler)

Maschkes Weg nach rechts wurde dadurch nicht aufgehalten, der nahm vielmehr Tempo auf. Ging es gerade noch um "Sachlichkeit" bei der Beschäftigung mit den Denkern der Konservativen Revolution, da hatte er schon in Carl Schmitt einen Mentor gefunden. Die Schriften des Verfemten kannte er wie viele Linke, und im Zuge der Annäherung sprach er noch vom "Irrgarten" der Schmittschen Konzepte und formulierte sogar eine leicht kaschierte, aber in der Tendenz liberale Kritik des Dezisionismus: "Liberale Politik heißt eben: alle Extreme verhindern. Das geschieht aus Agnostizismus, aus Weisheit und - übrigens - aus der Abscheu vor dem Ernstfall. Schmitt scheint manchmal empört, daß es im Liberalismus so unordentlich und unbegrifflich zugeht. Das Leben aber ist stärker als die Idee, und die römischen Gassenjungen, die die philosophierenden deutschen Studenten mit 'i begriffi' verspotten, sind klüger als die jungen (oder alten) doctores."

Das waren allerletzte Vorbehalte. Zu Beginn der achtziger Jahre überschritt Maschke die Grenze. Das hing auch mit den Möglichkeiten zusammen, die ihm die Gründung der Edition Maschke  im Verlag Hohenheim eröffneten. Das Programm war außerordentlich ambitioniert und enthielt einige ausgesprochen "rechte" Markierungen: einen Roman von Drieu la Rochelle, frühe Aufsätze Mircea Eliades, Bernard Willms' Hauptwerk "Die deutsche Nation" und die Nachdrucke zweier praktisch verschollener Bücher Schmitts: "Der Leviathan" sowie "Land und Meer". Das Projekt hatte bedauerlicherweise keinen wirtschaftlichen Erfolg, was Maschkes Abschied von den Arrivierten aber noch beschleunigt haben dürfte. Jedenfalls zeigten die Texte, die er damals in der Frankfurter Allgemeinen veröffentlichte, einen zunehmend schärferen Ton. Er bediente sich dabei einer an Schmitt geschulten Begrifflichkeit und einer Lust, den Gegner zu reizen, die nur geduldet wurde, solange ihm der Ruf anhing, ein seltsamer Linker, aber eben doch ein Linker zu sein. Das änderte sich nach einem Generalangriff auf Jürgen Habermas, der Maschkes Ausscheiden aus der Redaktion der FAZ erzwang.

Habermas soll über Maschke gesagt haben, daß dieser der "einzige Renegat der 68er Generation" gewesen sei. Die Behauptung ist sicher verkehrt. Man wird allerdings sagen können, daß Maschke wirklich zu einer Gegenposition gelangt ist. Das kann man nicht nur an den außerordentlichen Leistungen als Exeget und Fortsetzer Schmitts ablesen und auch nicht nur an seinen Bemühungen, die großen Konterrevolutionäre - allen voran Donoso Cortés - wiederzuentdecken, sondern auch an der Hartnäckigkeit, mit der er als heimatloser Rechter auftritt. Sein prägender Einfluß auf das Programm des Wiener Karolinger-Verlages oder die von ihm mitherausgegebene Zeitschrift Etappe sprechen eine ebenso deutliche Sprache wie die Beiträge, die in der JUNGEN FREIHEIT erschienen sind.

Wenn sich Maschke als heimatloser Rechter versteht, dann deshalb, weil seiner Meinung nach eine authentische Rechte heute unmöglich ist. Er neigt indes nicht zu Rückzügen in ästhetische, religiöse oder sonstige Gegenwelten. Wahrscheinlich hängt das mit einer charakterlichen Disposition zusammen - "Ich war eigentlich von Jugend an immer 'dagegen'" meinte er in einem Interview -, aber auch mit einer Weltanschauung, die im Kern agonal ist, ganz und gar davon bestimmt, daß die Entscheidung, die Feindbestimmung, der Kampf unausweichlich sind. Die Alternative heißt nicht Kompromiß, Freundschaft und ewiger Frieden - das sind Illusionen -, sondern Dekadenz.

Maschke hat den Marxismus seiner Anfänge als Ergebnis einer Verwechslung bezeichnet: Er habe Marx gelesen und gedacht, es sei Sorel. Der durchlief vor mehr als hundert Jahren eine in vielem verblüffend ähnliche Entwicklung von links nach rechts und hielt auch dafür, sich treu geblieben zu sein, im wichtigsten Punkt nämlich: "den anti-liberalen Motiven", wie Maschke sie nennt.

Foto: Günter Maschke: Die Feindbestimmung ist unausweichlich

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