© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/08 11. Januar 2008

Bogarts Rivale
Der ewige Gegner: Zum hundertsten Geburtstag des Schauspielers Paul Henreid
Werner Olles

Es ist diese eine Szene, die jedem, der sie einmal im Kino oder im Fernsehen gesehen hat, unvergeßlich bleibt. Dabei ist sie im Grunde hochgradiger, reiner Kitsch, dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - ist sie in die Filmgeschichte eingegangen. Auf dem Flughafen von Casablanca kommt es zu einem herzzerreißenden Abschied. Für drei Menschen erfüllt sich ihr Schicksal: Rick (Humphrey Bogart) überläßt seine Geliebte Ilsa Lund (Ingrid Bergman) großmütig, aber schweren Herzens seinem Rivalen, Ilsas Ehemann, dem ungarischen Widerstandskämpfer Victor László (Paul Henreid).

Michael Curtiz' "Casablanca" (1942) avancierte rasch zum ausgesprochenen Kultfilm, und dies, obwohl die Geschichte einer Gruppe von Flüchtlingen, Agenten, Abenteurern und Vichy-Polizisten um den zynischen Barbesitzer Rick Blaine, seine große Liebe Ilsa Lund, deren Ehemann Victor László und die legendäre Bar "Rick's Café" im Grunde nur eines der üblichen Hollywood-Melodramen ist.

Für den am 10. Januar 1908 in Triest als Paul Georg Julius Freiherr von Hernried geborenen Paul Henreid war "Casablanca" indes der große Durchbruch. Als junger Mann hatte er in Wien die Kunstgewerbeschule besucht und anschließend am Konservatorium und dem Max-Reinhardt-Seminar seine Schauspielausbildung absolviert. Sein Theaterdebüt gab Henreid als Goethes "Faust". Es folgten Bühnenengagements in Wien, London und New York. Noch in Wien entdeckte ihn Anfang der dreißiger Jahre der Regisseur Otto Preminger für den Film. Seine erste kleine Rolle spielte er in Erich Engels "Die hohe Schule" (1934).

Nach dem Anschluß Österreichs emigrierte Henreid, der stark antinationalsozialistisch eingestellt war, zunächst nach England und ein paar Jahre später in die USA. Nach dem Erfolg von "Casablanca" gehörte er hier bald zu den bekannten Stars. In Jean Negulescos "The Conspirators" ("Ring der Verschworenen", 1944), einem aufwendigem Spionage-Thriller ganz im Stil von "Casablanca",  kann er als holländischer Widerstandkämpfer Vincent van der Lyn, der in Lissabon eine internationale Verschwörung verhindert, nahtlos an seine Victor László-Rolle anknüpfen. Doch wie das große Vorbild krankt auch dieser Film an seiner gutgemeinten politischen Haltung, vor allem aber an allzuviel Routine.

Auch Henreids nächster Film "Song of Love" ("Clara Schumanns große Liebe", 1947) ging recht freizügig mit historischen Daten und Details um, ist mit einigen Hollywood-Klischees belastet und verklärt das Leben des Komponisten Robert Schumann sentimental, doch ist er leichthändig inszeniert und mit Henreid und Katherine Hepburn in den Hauptrollen hervorragend besetzt.

Zu Henreids interessanteren Auftritten - zu seinem großen Leidwesen wurde er viel zu oft als Gegner oder Opfer des Nationalsozialismus oder in Piratenfilmen eingesetzt - gehörten seine Rollen in Vincente Minnellis "Four Horseman of the Apocalypse" ("Die vier apokalyptischen Reiter", 1962), der Geschichte des Untergangs einer argentinischen Familie mit deutschem und französischem Zweig, und in John Boormans "Exorcist II: The Heretic" ("Exorzist II - Der Ketzer", 1977), seiner letzten Filmrolle als Kardinal. In den siebziger und achtziger Jahren war er jedoch vorwiegend fürs Fernsehen als Regisseur tätig; unter anderem inszenierte er mehrere Folgen der beliebten Western-Serien "Bonanza" und "Big Valley". Eine seiner Töchter, Monika Henreid, ist in den USA eine bekannte Theaterschauspielerin.

Im kalifornischen Santa Monica verstarb Paul Henreid am 29. März 1992 im Alter von 84 Jahren. Als Victor László in "Casablanca" wird er indessen auf der Leinwand für immer unsterblich sein.

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