© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/08 25. Januar 2008

Minipartei löst ernste Regierungskrise aus
Italien: Ex-Justizminister Mastella hat endgültig mit der Prodi-Regierung gebrochen / Staatspräsident mit Schlüsselfunktion
Paola Bernardi

Der vorige Woche zurückgetretene Justizminister Clemente Mastella versagt nun endgültig der italienischen Regierung unter Romano Prodi seine Unterstützung. "Das Mitte-Links-Experiment ist beendet", mit diesen Worten verabschiedete sich der Chef der katholischen 1,4-Prozent-Partei Udeur und löste eine Regierungskrise aus. Denn diese Miniabspaltung der einst mächtigen Christdemokraten (DC) ist mit ihren drei Senatoren für die bunte Mitte-Links-Koalition überlebenswichtig.

Seit 2006, als Prodis Unione-Bündnis mit nur 25.000 Stimmen Vorsprung über Silvio Berlusconis Mitte-Rechts-Allianz siegte, wurde jede Abstimmung in der zweiten Kammer zur Kraftprobe. Seit Monaten zitterte diese bunte Regierung von Kommunisten bis linken Christdemokraten um ein oder zwei Stimmen, die über den Machterhalt entschieden. Mit Mastellas Rücktritt begann der Stuhl Prodis immer heftiger zu wackeln, obwohl der Udeur-Chef zunächst weitere Unterstützung zugesagt hatte. Der 60jährige Philosoph und gelernte Journalist trat offiziell "aus Liebe zu seiner Frau und Familie" zurück, wie er dramatisch verkündete. Denn seine Frau Sandra, die Präsidentin des Regionalrats von Kampanien, wurde von den dortigen Untersuchungsrichtern unter Hausarrest gestellt. Die Anklage erfolgte wegen Verdachts auf "versuchten erpresserischen Machtmißbrauch".

Mit ihr wurden fast zwei Dutzend weiterer Udeur-Politiker, ebenfalls aus derselben süditalienischen Region, wegen des Verdachts auf Amtsmißbrauch zur Erzielung wirtschaftlicher Vorteile unter Hausarrest gestellt oder in Untersuchungshaft genommen. Zuletzt stand Mastella sogar selbst unter Verdacht.

Auf seiner Pressekonferenz in Rom bestritt er alle Vorwürfe, auch er habe nie Schmiergeld erhalten, so seine Beteuerung. Auch seine Frau zeigte sich weiterhin energiegeladen, es ist keine Rede von einem Verzicht auf ihr politisches Amt. Vielmehr erklärte sie, daß ihre Familie offenkundig Opfer der anti-katholischen Hetze geworden sei, die kürzlich auch den Besuch von Papst Benedikt XVI. in der römischen Universität La Sapienza verhindert habe (siehe den Beitrag auf Seite 11).

Mastella, der 1994/95 Berlusconis Arbeitsminister war und weiter Bürgermeister seines Heimatortes Ceppaloni ist, hat wie im Süden üblich seine Partei wie einen Familienbetrieb geführt und dort politischen Klientelismus betrieben. Kein Posten im öffentlichen Dienst wurde in der Region besetzt, ohne daß Famiglia Mastella ihre "Empfehlung" gegeben hätte. Alle wurden bedacht: Schwager, Schwippschwager, Cousins und selbst die Verlobten der Söhne. Mit Drohungen wurde angeblich auch gearbeitet - wie es sich für einen Clan geziemt. Als die Staatsanwaltschaft eingriff, regnete es von rechts und links Solidaritätsbekundungen für die Mastellas.

Prodi selber übernimmt nun auch das Amts des Justizministers. "Prodi soll zurücktreten", fordert die oppositionelle Lega Nord, Berlusconi verlangt "sofortige Neuwahlen". Selbst die zur Koalition gehörenden Kommunisten sprechen von einem neuen Urnengang. Die Entscheidung liegt jetzt beim postkommunistischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano. Es könnte sein, daß er die Lösung in einer Notstandsregierung sieht und diese vorzeitigen Neuwahlen vorzieht. Italien geht so oder so unruhigen politischen Zeiten entgegen.

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