© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/08 25. Januar 2008

Luxus-Entertainment: Das Fernsehen kocht über
Küchenschlachten
Carsten Krystofiak

Anderen bei der Arbeit zuschauen ist der schönste Zeitvertreib. Und wer will bestreiten, daß am Herd zu stehen harte Arbeit ist? Jedenfalls für Hausfrauen. Männer am Herd dagegen plaudern, scherzen, fachsimpeln. Was für den Motorsportfan das Benzingespräch, ist dem Bildungsbürger das Soßengespräch im Fernsehkochstudio. Die Deutschen kriegen den Hals nicht voll genug mit Kochsendungen: Von "Al­fredissimo" bis Zacherl - die Fernsehunterhaltung kocht!

Das Menü bietet jedem Zuschauer einen Maître nach seinem Geschmack: Ambitionierte Semi-Profis naschen bei Johann Lafer, die gefühlt Jugendlichen schnippeln mit dem coolen Tim Mälzer ("Schmeckt nicht gibt's nicht!"), und sogar den Teenies wird auf Viva zwischen Klingelton-Clips bei "Das letzte Gericht" erklärt, daß immer nur Burger voll kraß ungesund sind.

Ob Sternekoch oder "Starkoch": Die Sendeplätze gehen wie Zander auf Gemüsebett. Johann Lafer kann es sich mittlerweile leisten, im eigenen Helikopter zu den Drehterminen einzufliegen. Beim Privatsender Vox bilden Kochshows 2008 sogar den Schwerpunkt des Sendekonzeptes. Gleich vier Formate ("Das perfekte Dinner", "Das perfekte Promi-Dinner", "Unter Volldampf" und "Koch-Arena") schickt der Sender an den Herd. Nur für die Sendung "Ganz & gar Hennsler" bleibt die Vox-Küche ab sofort kalt. Hennsler hatte am Vorabend Tim Mälzer beerbt, der nun zurückkehren soll. Vox hat 2007 durch Kochshows seinen Marktanteil auf 5,7  Prozent aufgebacken - das beste Ergebnis der Sendergeschichte!

Am 14. Januar schlug auch das ZDF eine neue Sendung in die Pfanne, um seinen zuschauerschwachen Nachmittag zu beleben. In der "Küchenschlacht" duellieren sich Hobbyköche mit Schneebesen und Kochmesser. Ein "Experte" (die üblichen Verdächtigen: Schuhbeck, Lafer, Wiener, Lichter) entscheidet, wer ausscheidet. Am Ende einer Woche gibt es nur noch einen Kandidaten - und der wird noch am gleichen Abend bei Kerner ausgekocht.

Die erste Sendung vom 14. Januar schmeckte der TV-Nation. Der Quoten-Beobachter Media Control GmbH analysierte: Um Punkt 14.15 Uhr startete das Kochduell mit einer Million Zuschauer. Schon eine Viertelstunde später durchbrach es die Grenze zu 1,2 Millionen und kratzte um 14.50 Uhr an der Grenze zu 1,4 Millionen.

Seltsam: Müßten wir nicht längst eine kerngesunde Nation von Ökotrophologen sein? Der New Yorker Starkoch Anthony Bourdain sagte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung: "Das Seltsame ist: Die Leute, die sich Kochshows im Fernsehen ansehen, kochen meistens weder selbst, noch essen sie in guten Restaurants. Es ist die neue Pornographie: Man sieht im Fernsehen, was man selbst nie tun würde." Allgemein stellt er fest: "Die Leute essen immer schlechter. Essengehen ist Luxus-Entertainment geworden. Was fehlt, ist die Mitte: eine Alternative zu fast food." Tatsächlich haben immer weniger Menschen gelernt, gesunde Rohstoffe in nahrhafte Gerichte zu verwandeln. Statt dessen greifen sie zu industriell vorgefertigten und portionierten Lebensmitteln ("Convenience-Produkte"), die eine Vielzahl kritischer Zusatzstoffe wie Zucker, Fett und künstliche Aromen enthalten.

Eines dieser Fertigessen feiert dieser Tage Jubiläum: Die Maggi-Dosenravioli werden 50. Die gestanzten Teigtaschen mit "Pikanter Soße" sind mit 40 Millionen verkauften Dosen pro Jahr Deutschlands erfolgreichste Konserve - weit vor den anderen Hühnerbouillon-Dosen, Feuertöpfen und Terrinen.

Ohne Dosenravioli und Co. würde vielen deutschen Frauen ihre Erwerbstätigkeit anbrennen, denn wegen der beruflich-familiären Doppelbelastung  bleibt zum Kochen kaum Zeit. Obwohl nämlich in den Kochsendungen überwiegend Kerle in der Küche stehen - die Moderatorinnen dürfen höchstens mal andächtig "hmmm!" summen -, kocht am heimischen Zuschauerherd wie eh und je überwiegend Mutti.

Eine Kochshow der etwas anderen Art serviert nun aber 3sat - donnerstags mitten in der Nacht (31. Januar 2008, 0.45 Uhr): "Silent Cooking". Schulabbrecher, Künstler und Gault-Millau-Haubenträger Patrick Müller genießt und schweigt. Der Koch, der aussieht wie ein Autonomer aus der "Volxküche", spricht kein Wort. Da wird die Kochshow geradezu eine meditative Entspannung.

Das ZDF zieht schon nach und legt Kerner ins Eisfach: Der Allzweckmoderator hat angekündigt, "Kochen bei Kerner" 2008 zugunsten von Fußball-EM und Olympia ruhen zu lassen. Dann kommt man wenigstens mal wieder in Ruhe zum Essen. Guten Appetit!

Foto : Koch der anderen Art: Patrick Müller konzentriert sich bei "Silent cooking" aufs Kochen und schweigt

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