© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

Angst vor Pariser Verhältnissen
Köln: Nach dem Tod eines ausländischen Jugendlichen ist die Stimmung im Stadtteil Kalk aufgeheizt / Überfall auf einen Deutschen
Josef Hämmerling

Auch in Deutschland muß man sich anscheinend auf Pariser Verhältnisse mit gewalttätigen Ausschreitungen ausländischer Jugendlicher einstellen. Die ersten Vorboten waren in den vergangenen Tagen in Köln-Kalk zu beobachten. Was war geschehen? Nach Darstellung der Polizei, die sich unter anderem auf einen unabhängigen Augenzeugen stützt, hatte der 17 Jahre alte Marokkaner Salih L. in der Nacht des 18. Januars zusammen mit seinem 19jährigen Freund zwei Deutsche (17 und 20 Jahre) überfallen und zu berauben versucht. Der 20jährige wehrte sich und verletzte den Marokkaner mit einem Stich seines Taschenmessers so schwer, daß dieser nach einer Notoperation noch in der Nacht verstarb. Aufgrund der Zeugenaussagen teilte die Staatsanwaltschaft mit, daß alles auf Notwehr hindeute und deshalb keine Anklage gegen den jungen deutschen Mann erhoben werde.

Dies war das Signal für eine Reihe von Demonstrationen zahlreicher ausländischer Jugendlicher durch den Stadtteil. Jeden Abend versammeln sich mehrere hundert Personen, fast alles Ausländer, auf der Kalker Hauptstraße und werfen der Staatsanwaltschaft vor, den deutschen "Mörder" zu schützen, während ausländische Täter sofort und wesentlich härter bestraft würden. Salih sei in Wirklichkeit gar kein gefährlicher Krimineller gewesen, sondern nach Aussagen von Familienmitgliedern und Freunden ein netter und freundlicher Junge. Er habe sich weder als Marokkaner noch als Deutscher gesehen, sondern als "Kölscher Jung", so Salihs Bruder Abdullah. "Wenn in München ein Deutscher von Ausländern verprügelt wird, geht das wochenlang durch alle Zeitungen. Wenn in Köln ein Marokkaner von einem Deutschen abgestochen wird, werden die Ermittlungen eingestellt und keinen interessiert es", sagte der Marokkaner.

Diese Ansicht herrscht auch unter den Demonstranten vor. Darüber hinaus entladen sich nach Angaben eines Sozialarbeiters, der ungenannt bleiben wollte, auch andere Probleme: "Frust im Privatleben oder weil man keine Lehrstelle findet. Viele fühlen sich auch einfach ungerecht behandelt in Deutschland", sagte der Mann dem Kölner Stadt-Anzeiger.

So richten sich die Proteste dann auch immer mehr gegen Deutschland an sich und werden von Linksparteien und Autonomen mißbraucht, die die Demonstranten mit Mikrofonen und Flüstertüten ausstatten. So rief einer der Vorredner der Demonstranten, Mohamed, laut dem Kölner Expreß den Deutschen zu: "Ihr seid alt, euer Leben ist bald zu Ende. Es geht um die Jugend, die hier leben will." Darauf skandierten die jungen Muslime: "Wir bleiben hier, wir bleiben hier." Mittlerweile wurden auch die ersten Deutschlandfahnen verbrannt und Deutsche bedroht, die sich gegen die "Mörder"-Vorwürfe wandten und darauf hingewiesen hatten, die Gewalt sei ja zuerst von Salih L. ausgegangen, der Überfallene habe sich lediglich gewehrt. Vor dem (vermeintlichen) Haus des jungen Deutschen peitschen sich die Emotionen weiter auf und wurden "Mörder, Mörder"-Rufe laut.

Die Polizei beobachtet jeden Abend mit mehr als einhundert Beamten das Geschehen, greift aber nicht ein - auch nicht, als die Deutschlandfahnen verbrannt wurden oder wenn Passanten, die anderer Meinung sind, bedroht werden. Sie sollen erst dann eingesetzt werden, wenn schwerere Ausschreitungen drohen. Bis dahin soll alles getan werden, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Eine akute Gefährdung für den 20jährigen sieht Polizeisprecherin Cathrine Maus nicht. Allerdings werde täglich eine neue Gefahrenanalyse erstellt, und man werde "natürlich sofort entsprechende Maßnahmen ergreifen", sollte sich die Situation ändern.

Obwohl auch Teile der Politik das ähnlich sehen, wird nicht hart durchgegriffen. "Wir sitzen auf einem Pulverfaß. Uns drohen Zustände wie in den Vorstädten von Paris", sagte etwa der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Kölner Stadtrat, Winrich Granitzka. Und auch sein Parteifreund Oberbürgermeister Fritz Schramma gibt sich besorgt. Doch getan wird nichts, um die unangemeldeten Demonstrationen zu stoppen oder zumindest gegen extreme Ausfälle vorzugehen.

So kritisierte die im Stadtrat der Domstadt vertretene Bürgerbewegung Pro Köln, viele Polizisten berichteten von einer aggressiven Stimmung der jungen Marokkaner und davon, "daß sie sich von der etablierten Politik völlig allein gelassen fühlen": Man müsse sich vorstellen, was passieren würde, wenn jeden Abend Hunderte Rechtsextreme einen ganzen Stadtteil lahmlegten. Die Polizei würde sofort Recht und Ordnung wieder herstellen und die Rädelsführer einsperren. Anders in Köln-Kalk, wo nur zugeschaut werde, wenn Ausländer massiv gegen deutsches Recht verstoßen.

Foto: Jugendliche Einwanderer demonstrieren in Köln-Kalk: Deutschlandfahnen verbrannt

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