© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

Siegerlächeln trotz schwerer Verluste
Landtagswahl II: Die CDU feiert sich in Niedersachsen als Wahlgewinner / Nichtwähler stärkste Kraft / DKP-Mitglied zieht in den Landtag ein
Peter Freitag

War das Wetter schuld, das fast den gesamten Wahlsonntag lang die Niedersachsen mit teilweise heftigen Regenschauern überzogen hatte? Oder war, wie besonders im Unionslager gemutmaßt wurde, die eigene Anhängerschaft wegen des sicher geglaubten Wahlsiegs zu träge - oder die Bevölkerung einfach zu zufrieden mit dem Ministerpräsidenten -, daß sie den Urnen so massenhaft fernblieb?

Mit 43 Prozent jedenfalls näherte sich die "Partei" der Nichtwähler am vergangenen Sonntag bei der Wahl des niedersächsischen Landtags langsam der Fünfzig-Prozent-Marke. Mit einer Wahlbeteiligung von nur wenig über der Hälfte der Stimmberechtigten war ein neuer Negativrekord erreicht.

Wie in den Umfragen vorhergesagt, konnte Ministerpräsident Christian Wulff sein Wahlziel erreichen, mit der bisherigen CDU/FDP-Koalition weiterzuregieren. Noch nicht einmal die Tatsache, daß mit der Linkspartei eine fünfte Fraktion ins Leineschloß einziehen wird, konnte die schwarz-gelbe Mehrheit gefährden.

Mit 42,5 Prozent konnte die CDU wieder mit Abstand als stärkste Partei in den Landtag von Hannover einziehen, während die SPD mit gerade einmal 30,3 Prozent auf ein Rekordtief abrutschte. Bereits vor fünf Jahren, als der letzte SPD-Ministerpräsident Siegmar Gabriel abgewählt wurde, galt das damalige Ergebnis von 33,4 Prozent als alarmierend schlecht. Mit dem politisch blassen Wolfgang Jüttner setzte sich dieser Abwärtstrend fort. Lediglich im Nordwesten des Landes sowie in einigen Industriegebieten (Peine, Salzgitter) konnten die Sozialdemokraten Werte von um die 40 Prozent erzielen. Erfolgreich waren sie auch in Südniedersachsen, wo fast alle Direktmandate an die SPD-Kandidaten fielen. Die CDU dagegen schaffte es wieder in ihren (katholischen) Hochburgen - mit Ergebnissen von bis über 60 Prozent. Außerdem wählten erwiesenermaßen mehr Arbeiter CDU als SPD. Die FDP konnte sich gegenüber 2003 prozentual leicht verbessern und kam mit 8,2 Prozent auf Platz drei.

Vertreter von CDU und FDP betonten noch am Wahlabend ihre Freude darüber, daß für eine weitere Legislaturperiode die bürgerliche Mehrheit im Land erhalten bleibt, und nannten diese Tatsache "richtungsweisend". Offensichtlich nahmen sie den Wermutstropfen darin kaum wahr: daß nämlich beide Parteien zusammen 270.000 frühere Wähler allein an die stärkste Formation des Urnenganges - die Nichtwähler - verloren hatten.

Auch muß sich der strahlende Sieger Wulff vorhalten lassen, daß er im Vergleich mit dem Ergebnis von 2003 in absoluten Zahlen mehr Wähler verloren hat als der "geschlagene" Kollege Roland Koch aus Hessen: 470.000 ehemalige CDU-Wähler wandten sich in Niedersachsen diesmal von der Union ab. Die Grünen liegen mit acht Prozent wieder an vierter Stelle, ihre Schwerpunkte liegen in den Wohngebieten der "Postmaterialisten", den Groß- und Universitätsstädten. In Göttingen erhielten die früheren "Alternativen" über 20 Prozent.

Der eigentliche Gewinner dieser Landtagswahl ist ohne Zweifel die Linkspartei. Daß sie überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde erreichen könnte, wurde erst in den letzten Umfragen eine Woche vor dem Wahltermin vorhergesagt. Doch das amtliche Endergebnis übertraf diese Prognosen noch einmal: 7,1 Prozent der Zweitstimmen und damit elf Sitze im Leineschloß erreichte die fusionierte Linkspartei, während die "alte" PDS hier fünf Jahre zuvor auf lediglich 0,5 Prozent Zweitstimmen kam. Das beste Ergebnis - über 13 Prozent - bekam die Linkspartei wie zum Hohn ausgerechnet im Wahlkreis des SPD-Spitzenkandidaten Jüttner, in einem Teil des industriell geprägten Salzgitter schaffte es der Direktkandidat der Linken, mehr Stimmen auf sich zu vereinen als die jeweiligen Konkurrenten von Grünen und FDP.

Neben der aus der WASG stammenden Spitzenkandidatin Kreszentia Flauger gehören zu den zukünftigen Abgeordneten nicht nur zwei ehemalige, sondern auch ein aktives Mitglied der linksextremen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Christel Wegner aus Buchholz gelangte auf Platz 9 der "Linke"-Landesliste als Bestandteil einer Absprache zwischen Linkspartei und DKP, die auf einen eigenen Wahlantritt verzichtete. Im DKP-Organ UZ vom 2. November 2007 erläuterte Wegner ihre Beweggründe für diesen Schritt: "Wir haben festgestellt, daß unsere tagespolitischen Forderungen weitgehend mit dem Landeswahlprogramm der niedersächsischen Partei 'Die Linke' übereinstimmen - wenn auch unsere programmatischen Zielstellungen darüber hinausgehen."

Damit sitzt erstmals seit dem Verbot der Deutschen Kommunistischen Partei (KPD) durch das Bundesverfassungsgericht 1956 ein (bekennender) kommunistischer Abgeordneter in einem bundesdeutschen Landtag. Für die gelernte Krankenschwester und Sympathisantin der südamerikanischen Sandinisten liegt darin offensichtlich ein große Chance: "Ich halte es für sinnvoll und politisch notwendig, im öffentlichen Bewußtsein wieder die Tatsache klarzustellen, daß auch die Kommunisten ein Teil der Linken in diesem Land sind", sagte sie vor der Wahl den Genossen von der UZ.

Die NPD, deren Spitzenkandidat Andreas Molau ein Ergebnis von über sechs Prozent angepeilt hatte, erzielte landesweit 1,5 Prozent. Damit kann die Partei hier - anders als in ihrem hessischen Landesverband - auf eine staatliche Wahlkampfkosten-Rückerstattung zählen, was angesichts ihrer angespannten Finanzlage willkommen sein dürfte. Abermals verfehlte die selbsternannte "nationale Opposition" ihr Wahlziel, auch im Gebiet der alten Bundesrepublik knapp vierzig Jahre nach ihren Anfangserfolgen wieder in einen Landtag einzuziehen (siehe auch den Artikel auf Seite 4).

Für die übrigen Parteien, die unter "Sonstige" zusammengefaßt werden, blieben die Werte jeweils unter einem Prozent. Selbst die in vielen Gemeinden vertretenen Freien Wähler, die sich zu einer Kandidatur entschlossen hatten, kamen nur auf magere 0,5 Prozent, gefolgt von der Tierschutzpartei (0,5 Prozent), der Familienpartei (0,4 Prozent), den "Friesen" (0,3 Prozent) und den Grauen (0,3 Prozent), sowie PBC (0,2 Prozent) und ÖDP (0,1 Prozent). Die Regionalpartei "Die Friesen" blieb selbst in ihrem Stammland Ostfriesland bei unter fünf Prozent und konnte nur in einem Wahlkreis auf ein nennenswertes Ergebnis kommen (Leer/Borkum: 6,1 Prozent Erst-, 4,5 Prozent Zweitstimmen).

Aus der Landespolitik weitgehend abgekoppelt sind die Republikaner, die es nicht geschafft hatten, mit einer Landesliste in ganz Niedersachsen anzutreten. Zwar ergeben die 897 Erststimmen, die der einzige Direktkandidat der Partei auf sich vereinigen konnte, in seinem Wahlkreis Salzgitter mit 2,5 Prozent ein durchaus beachtenswertes Ergebnis, landesweit bleibt die Rechtspartei damit jedoch marginal.

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