© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Angst vor Bürgerwehren
Schengen-Erweiterung: Deutliche Zunahme von Autodiebstählen im sächsischen Grenzgebiet / Zahl der illegalen Einwanderer verfünffacht
Paul Leonhard

Massive Polizeikontrollen sollen den Einwohnern der deutsch-polnischen Grenzstadt Görlitz wieder ein Gefühl von Sicherheit geben. In den vergangenen Tagen ist der Diebstahl von Autos in Ostsachsen derart stark angestiegen, daß das sächsische Innenministerium grünes Licht für den gemeinsamen Einsatz von Landes- und Bundespolizei sowie Bereitschaftspolizei gab.

Außerdem sind verstärkt Polizeibeamte in Zivil im Einsatz. Offenbar fürchten die Behörden, daß sich sonst wie schon einmal an der sächsisch-böhmischen Grenze Bürgerwehren bilden, die auf eigene Faust Patrouille laufen. Auch in dem jenseits der Neiße gelegenen Ostteil von Görlitz, dem polnischen Zgorzelec, wurde eine zusätzliche Polizei-Hundertschaft für die Überwachung der Ausfallstraßen eingesetzt. In Görlitz selbst war die Polizei in den vergangenen Tagen sowohl in der Innenstadt als auch an den aus der Stadt führenden Bundesstraßen präsent. An der nach Polen führenden Stadtbrücke kam es zum ersten Mal nach dem Wegfall der Paßkontrollen Ende Dezember wieder zu Staus.

Denn an einer Straßensperre kontrollierte die Polizei alle aus der Bundesrepublik ausreisenden Fahrzeuge. Insbesondere bei Autos der Typen Audi, Volkswagen, BMW und Mercedes wurden die Papiere der Insassen und des Fahrzeugs genau unter die Lupe genommen. Mit gutem Grund: Mehr als zwei Dutzend Fahrzeuge wurden in den ersten Wochen des Jahres bereits im Gebiet der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien gestohlen. Im gesamten Vorjahr waren es nur 33. Gleichzeitig wurden an die hundert aufgebrochene Fahrzeuge gemeldet, bei denen es den Kriminellen nicht gelang, das Auto zu starten, bzw. es nur um den Diebstahl von Navigationsgeräten oder Radios ging. Zur Zeit geht die Polizei im Grenzgebiet von zwei Tätergruppen aus: Bei der einen handelt es sich um Gelegenheitsdiebe, bei der anderen um organisierte Bandenarbeit.

Die Kriminellen gehen dabei arbeitsteilig vor. Tagsüber werden die Fahrzeuge ausgekundschaftet, und in der Dunkelheit kommen sogenannte "Abholkommandos". Diesen gehören Spezialisten an, die in wenigen Sekunden die modernsten mechanischen oder elektronischen Sicherheitssysteme lahmlegen können. In Polen werden die gestohlenen Fahrzeuge dann auseinandergenommen und die Einzelteile auf den Markt gebracht. Das ist relativ risikolos und oft profitabler als der Verkauf des kompletten Autos. Insbesondere höherwertige Fahrzeuge werden gezielt auf Auftrag gestohlen.

Noch schreckt der neue Kontrolldruck der Polizei die Kriminellen nur wenig von ihrem lukrativen Geschäft ab. Allein Ende Januar wurden in einer Nacht zwölf in Ostsachsen aufgebrochene Fahrzeuge gemeldet. Allerdings kann die Polizei auch erste Erfolge melden. So wurden zwei Deutsche an einer Straßensperre an der Görlitzer Grenze gestellt, die einen gestohlenen VW Jetta nach Polen bringen wollten. In der am deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck gelegenen Stadt Zittau konnten zwei polnische Autodiebe auf frischer Tat gestellt werden. Die 15- und 17jährigen hatten versucht, aus einem Lkw-Führerhaus ein Navigationsgerät zu entwenden. Allerdings hatten sie den Fahrer übersehen, der sich in seiner Kabine aufhielt und die Polizei alarmierte. Die Polizeidirektion fordert inzwischen den Einsatz von Geräten, die auf der Autobahn und den Grenzübergangsstellen die Nummernschilder aller passierenden Fahrzeuge erfassen.

Unterdessen sind seit der Grenzöffnung im Freistaat fast fünfmal so viele illegal eingereiste Ausländer aufgegriffen worden wie im Vorjahr. In der letzten Dezemberwoche 2007 und in den ersten drei Januarwochen 2008 hat die Polizei laut Innenminister Albrecht Buttolo 392 Personen registriert. Anfang 2007 seien es 81 gewesen.

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