© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

"Willfährige Handlager gefunden"
Slowenien: Geheimgespräche mit den USA über die Kosovo-Frage bringen EU-Ratsvorsitz in Bedrängnis
Alexander Rüstau

Anfang dieses Jahres hat mit Slowenien erstmals eines der 2004 beigetretenen Länder die EU-Ratspräsidentschaft übernommen - eine anspruchsvolle Aufgabe angesichts der Tatsache, daß das Zwei-Millionen-Land nicht einmal genug Diplomaten hat, um wenigstens in jedem größeren Land eine Botschaft zu unterhalten, und der Fülle der im ersten Halbjahr 2008 zu bewältigenden Aufgaben. Als schwierigstes Problem stellt sich dabei die Zukunft des Kosovo dar: Die serbische Provinz strebt gegen den massiven Willen der Regierung in Belgrad nach Unabhängigkeit. Mit einer entsprechenden Erklärung aus Priština ist alsbald zu rechnen.

Mit Gelassenheit und Umsicht wolle man das Problem angehen, so ließ die Laibacher Regierung zu Beginn der Ratspräsidentschaft verlauten. "Wir wollen Einstimmigkeit in der EU. Und dafür werden wir kämpfen", erklärte der slowenische Außenminister Dimitri Rupel 2007 in Brüssel und warb für eine dauerhafte politische Lösung in Absprache mit den Kosovo-Albanern. Es erschien geradezu als ein Glücksfall, daß ausgerechnet die frühere jugoslawische Teilrepublik den EU-Ratsvorsitz führt, wenn sich die Zukunft des Kosovo entscheidet.

Doch seit der Veröffentlichung eines Gesprächsprotokolls zwischen dem Direktor im slowenischen Außenministerium, Mitja Drobnič, und dem US-Vizeaußenminister für Europa und Eurasien, Daniel Fried, durch die slowenische Tageszeitung Dnevnik hat die Glaubwürdigkeit der südslawischen Republik in bezug auf eine eigenständige Außenpolitik einen schweren Dämpfer erlitten. Das Dokument erweckt den Eindruck, Slowenien lasse sich als EU-Ratsvorsitzender im Hinblick auf die Kosovo-Frage von den USA leiten. Laut dem Protokoll lobte Fried den slowenischen Außenminister für dessen "starke Aussage" zum Kosovo und kündigt an, er werde US-Außenministerin Condoleezza Rice vorschlagen, sie möge ihm dazu gratulieren. Darüber hinaus legte er Mitja Dobrič nahe, daß Laibach "in den ersten Reihen jener EU-Mitglieder sein" solle, "die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen". Die US-Pläne sehen weiterhin vor, daß die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo an einem Sonntag - beispielsweise am 10. Februar - erfolgen solle. Damit soll sichergestellt werden, daß Rußland den UN-Sicherheitsrat nicht mehr einschalten und protestieren kann.

Das Bekanntwerden dieses internen Gesprächsprotokolls sorgte für Irritationen zwischen dem slowenischen EU-Ratsvorsitz und seinen internationalen Partnern. Zwar ist Drobnič, dessen Name als einziger in dem Dokument auftauchte, inzwischen zurückgetreten, doch sieht Rupel durch die Veröffentlichung des Protokolls, welche in erster Linie gegen die Regierung gerichtet gewesen sei, die Glaubwürdigkeit des slowenischen Staates insgesamt gefährdet. Er zeigte sich aber überzeugt, daß der entstandene Schaden "schnell behoben" werden könne. Solche Protokolle seien eine "interessante Lektüre", sagten aber nichts über eine mögliche Übereinstimmung der Standpunkte aus.

Sloweniens Präsident Danilo Türk bezeichnete die Protokoll-Affäre als "äußerst besorgniserregend". Er rief die Regierung auf, dafür zu sorgen, "daß unsere Präsidentschaft objektiv und prinzipientreu ist und daß auch der äußere Anschein dementsprechend ist". In Serbien wurde das Bekanntwerden des Protokolls als Beleg dafür kommentiert, daß der slowenische EU-Ratsvorsitz im Kosovo-Konflikt ein Handlanger der USA sei. "Washington führt die Regie, Europa ist der Schauspieler", schreibt die Belgrader Zeitung Politika.

Der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer äußerte sich ebenfalls empört über den Skandal im Laibacher Außenamt: "Daß sich in Slowenien willfährige Handlager gefunden haben, die den US-amerikanischen Interessen zuarbeiten wollen, wird man in der Europäischen Union ausführlich behandeln müssen."

In Brüssel versucht man seit geraumer Zeit, in der Kosovo-Frage durch Zugeständnisse an Serbien Druck aus dem Kessel zu nehmen. Gleichzeitig legte EU-Chefdiplomat Javier Solana den Kosovo-Albanern nahe, wegen der Wiederwahl des EU-orientierten serbischen Präsidenten Boris Tadić die Unabhängigkeitserklärung auf März zu verschieben. Die EU, die bis heute keine Lösung in der Kosovo-Frage gefunden hat, gerät durch die Protokoll-Affäre in schwieriges Fahrwasser.

Einen ausführlichen Bericht über die Wiederwahl von Präsident Boris Tadic finden sie auf unserer Internetseite: www.jungefreiheit.de

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