© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

EU exportiert Gastarbeiter
Balkan-Konferenz in Berlin
Christian Dorn

Wenige Tage vor der serbischen Präsidentschaftswahl hatte die Robert-Bosch-Stiftung zu einer hochkarätigen Diskussion nach Berlin geladen, denn auch der von Bürgerkriegen gezeichnete Balkan soll alsbald in die EU integriert werden. Dafür warb unter anderem Carl Bildt, schwedischer Außenminister und EU-Sondergesandter für Ex-Jugoslawien.

Wie sehr Europa mit dem Balkan verzahnt sei, zeige sich schon daran, daß der Erste Weltkrieg hier seinen Ausgang nahm. Damals habe die allgemeine Vorstellung geherrscht, man könne binnen eines Jahres nach Kriegsende eine Friedensordnung schaffen: "Natürlich war das alles leichter gesagt als getan, wie wir jetzt wissen." Es ist nicht die einzige Frage, die Rätsel aufgibt.

Besonders deutlich wurde dies in den Ausführungen des Zagreber Politologen Žarko Puhovski. Das heraufziehende Problem sei nämlich nicht die Europäisierung des Balkans, sondern die Balkanisierung der EU. Als Beispiel nannte er die Arbeitsmarktsituation in Kroatien, das - wenn "die Reformgeschwindigkeit weiter zunimmt" (Bildt) - 2009 mit der EU-Aufnahme rechnen kann. Der Lebensstandard sei in Kroatien relativ hoch, unzählige Arbeitskräfte aus Rumänien arbeiteten dort für 100 Euro pro Monat: "Die EU exportiert Gastarbeiter." Daher brauche sich niemand über die Reserviertheit der Bürger gegenüber dem EU-Projekt wundern.

Die serbische Dramatikerin Biljana Srbljanović sah im Fall einer Unabhängigkeit des Kosovo den Schutz der serbischen Minderheit dort nicht gewährleistet. Dem widersprach Edi Rama, Bürgermeister von Albaniens Hauptstadt Tirana, jedoch energisch.

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