© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

WIRTSCHAFT
Energetische Illusionen
Michael Weis

Freundlich lacht die Sonne, eingerahmt von "Atomkraft? Nein danke!": Diesen Aufkleber kennt jeder. Immerhin ist er das Symbol der Bewegung, die den deutschen Ausstieg aus der Kernenergie erzwang - allen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und auch ökologischen Argumenten zum Trotz. Während die daraus resultierenden Probleme für die Energieversorgung bereits seit langem ohne Lösung diskutiert werden, steht schon das nächste energiepolitische Desaster vor der Tür. Denn nun stoppten der größte deutsche Stromerzeuger RWE und die Evonik-Tochter Steag den Bau neuer Kohlekraftwerke in Deutschland: eine Konsequenz aus den geplanten Neuregelungen im Emissionshandel, die bereits seit Monaten angedroht worden war. Und darüber hinaus eine Folge der - angesichts des globalen Energiehungers - ständig steigenden Kosten für Kraftwerksneubauten.

Doch damit nicht genug, zahlreiche Kohlekraftwerke werden in den nächsten Jahren vom Netz gehen müssen. Sie sind am Ende ihrer Laufzeit. Ohne Kernkraftwerke oder den Aufbau anderer, gleichwertiger Kapazitäten steht Deutschland jedoch in mittlerer Sicht vor einer nicht zu schließenden Energielücke. Diese Lücke kann nach jetzigem Stand nicht durch erneuerbare Energien gefüllt werden.

Solarenergie funktioniert eben nur, wenn es sonnig genug ist - abgesehen davon ist die Herstellung von Solarzellen alles andere als umweltschonend. Auch der Wind weht an vielen Tagen nicht, wodurch ebenfalls Rückhaltekapazitäten in ebenjenen Kohlekraftwerken notwendig werden, von denen es künftig viel zu wenige geben könnte. Kein Wunder also, daß die Sonne auf so vielen Aufklebern amüsiert lacht, angesichts von soviel politischer, gesellschaftlicher und ökologischer Dummheit.

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