© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

CD: Metal
Niederknien
Thorsten Thaler

Nach Francis Bacon (1561-­1626), einem der Begründer der modernen Wissenschaft, trüben Vorurteile unser Denken und schränken die dem Menschengeschlecht gegebene Fähigkeit ein, Erkenntnis und Wissen zu gewinnen. Bacon plädierte für eine aufklärerische Überwindung von Vorurteilen, die er Idole nennt, durch einfaches Beobachten: wer etwas erkennen will, muß zunächst einmal genau hinsehen und hinhören. Nun ist bekanntlich nur weniges in dieser Welt so zählebig wie ein Vorurteil. "Ein Urteil läßt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil",  formulierte Marie von Ebner-Eschenbach, und Albert Einstein wußte: "Es ist schwieriger, eine vorgefaßte Meinung zu zertrümmern als ein Atom."

Vorurteile begegnen einem ständig und überall, beispielsweise auch in Gesprächen über Heavy-Metal-Musik. "Das klingt doch alles gleich", lautet eines der gängigsten, an dessen Fortleben die Schwermetaller allerdings nicht ganz unschuldig sind. In einer Szene, in der es von Epigonen und Kopisten nur so wimmelt, in der Legionen von Wenigkönnern und Möchtegerns unterwegs sind und ein zusammengewürfeltes "Projekt" das nächste ablöst, klingen viele Veröffentlichungen tatsächlich zumindest ähnlich. Doch ist das eben nur die halbe Wahrheit. Die andere verkörpern jene Musiker und Gruppen, die für das Ursprüngliche, Unverfälschte und Authentische im Metal stehen. Ein herausragendes Beispiel dafür bietet jetzt erneut die aus Kalifornien stammende Band Benedictum.

Bereits mit seinem Debütalbum "Uncreation" sorgte der Fünfer aus San Diego für erhebliches Aufsehen (JF 07/06) ­- und widerlegte allein schon wegen der unverwechselbaren Stimme von Leadsängerin Veronica Freeman das Vorurteil, Metal klinge immer gleich. Selbst die sonst sogenannte Hochkultur präferierende FAZ geriet seinerzeit ins Schwärmen und widmete der Frontfrau einen langen Text ("Walküre, trag mich davon"), der zwischen Respektsbezeugung und Liebeserklärung oszillierte. Man durfte also gespannt sein auf das Zweitwerk von Benedictum, zumal erst der Nachfolger Aufschluß darüber geben kann, ob es sich beim Debüt nicht vielleicht doch um eine Eintagsfliege handelte.

Dieser zweite Silberling von Benedictum liegt nun vor, und höre da, "Seasons Of Tragedy" (Locomotive Records) hält das Versprechen des Erstlings. Einem sphärischen Instrumentalstück als Einstieg folgt mit "Shell Shock" der erste einer Reihe von Nackenbrechern ("Burn It Out", "Beast In The Field") und Stampfern ("Bare Bones", "Legacy", "Nobodies Victim"), dazu gibt es eine Cover-Version des Accept-Klassikers "Balls To The Wall", die sich hinter dem Original nicht zu verstecken braucht, und die Halbballade "Steel Rain", in der Veronica Freeman ihre stimmlichen Qualitäten jenseits des "lärmspeienden Rachendrachen" (FAZ) beweist. Höhepunkt des Albums ist schließlich das elfminütige facettenreiche, durch häufige Tempiwechsel überraschende Titelstück "Seasons Of Tragedy". Die Digipack-Ausgabe enthält zudem noch mit "Catch The Rainbow" eine Dio-Coverversion, die vor allem durch den phänomenalen Gesang von Veronica Freeman zu überzeugen weiß. Wer hiernach nicht das Verlangen verspürt, niederzuknien und ein Dankgebet zu sprechen, der möge an seinen Vorurteilen ersticken.

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