© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Daseinsvorsorge
Karl Heinzen

Auch intensive Nachforschungen durchaus gutwilliger Experten konnten nach der Invasion des Irak im Jahr 2003 keinen Beweis dafür erbringen, daß das Regime Saddam Husseins über Massenvernichtungswaffen verfügte oder wenigstens deren Herstellung plante. Ebensowenig ließ sich die These erhärten, daß Bagdad seinerzeit substantielle Kontakte zum Terror-Netzwerk al-Qaida unterhielt oder dieses gar unterstützte. Diesen kleinen Schönheitsfehler in der Legitimation des Feldzugs der US-geführten Koalition der Willigen schlachten zwei amerikanische Journalistenorganisationen nun aus, um Häme über die Regierung Bush zu gießen.

In ihrer gemeinsamen Studie dokumentieren das Centre for Public Integrity und der Fund for Independence in Journalism insgesamt 935 Beschuldigungen dieser Art, die von hochrangigen Regierungsvertretern nach den Anschlägen des 11. September 2001 an die Adresse Bagdads gerichtet wurden. Spitzenreiter in den Charts ist, seinem Rang gemäß, US-Präsident George W. Bush mit insgesamt 259 Äußerungen. Auf Platz zwei rangiert überraschenderweise der einstige Außenminister Colin Powell mit 254 Verlautbarungen. Das Image des naiven Bedenkenträgers, der in seinem verzweifelten Ringen mit den sogenannten "Falken" im Weißen Haus den kürzeren gezogen habe, ist somit unbegründet.

Die Studie zieht aus ihrem Zahlenmaterial den Schluß, daß es sich um eine regierungsamtlich betriebene Kampagne gehandelt habe, die das Ziel verfolgte, die öffentliche Meinung weichzukochen und die Nation unter wissentlich falschen Voraussetzungen in einen Krieg zu führen. Auch wenn an den Fakten vielleicht nicht zu rütteln ist, kann die aus ihnen abgeleitete Empörung kaum nachvollzogen werden.

Eine Regierung, die in verantwortungsvoller Weise der Daseinsvorsorge des Gemeinwesens verpflichtet ist, muß halt gelegentlich Alarmstimmung erzeugen und darf hierbei durchaus auch über das Ziel hinausschießen, wenn es gilt, die Bevölkerung aufzurütteln und auf potentielle Gefahren aufmerksam zu machen. Darin darf sie sich nicht einmal durch schlaumeierische Nachrichtendienste beirren lassen, die allzuoft voreilig Entwarnung geben.

Auch wenn die Beweggründe für das Vorgehen gegen Saddam Hussein andere gewesen sein sollten als die öffentlich deklarierten, hat sich die Invasion nachträglich als berechtigt und notwendig erwiesen: Ohne das Einschreiten der USA und ihrer Verbündeten wäre der Irak noch heute ein destabilisierender Faktor im Mittleren Osten und eine Brutstätte der Gewalt.

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