© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Frisch gepresst

Carl Schmitt. Unter dem verkaufsfördernd dämonisierenden Titel "Ein gefährlicher Geist" ist die Übersetzung der 2003 in den USA publizierten Studie Jan-Werner Müllers (Princeton) über "Carl Schmitts Wirkung in Europa" erschienen (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, gebunden, 300 Seiten, 39,95 Euro) und löst Pawlowsche Reflexe aus. So greint Thomas Meyer in der Frankfurter Rundschau (12. Januar 2008), Müllers Rezeptionsgeschichte belege, wie stark die globale Wirkung ausgerechnet des "Antisemiten" Schmitt jüdische Staatsdenker wie Hans Kelsen verdränge. Aus Sicht des philosemitischen Jingos Meyer, der nun im Leipziger Institut Dan Diners, des "Hohepriesters der Holocaust-Religion" (JF 5/07), eine ideologisch adäquate Heimstätte fand, ist solches Gejammer gewiß angebracht. Nüchterner betrachtet dürfte jedoch der realitätsferne Begriffs-akrobat Kelsen selbst dann, wenn Schmitt nie existiert hätte, allzeit nur auf minimales Interesse stoßen. Freilich paßt sein Werk besser zu den "Prinzipien der pluralistischen Demokratie" und dem "Universalismus der Menschenrechte", die Michael Stolleis im Vorwort zu Müllers Buch durch jene "antiliberalen Bewegungen" und "Allianzen des Denkens" bedroht sieht, die ihre Anleihen im 21. Jahrhundert weiter bei CS machen. Seine dagegen dringend gebotene "Entzauberung", die Stolleis als Müllers Leistung preist, muß indes auch Schmitt-Gegnern mißfallen. Denn zu oberflächlich - im Stil des Jet-set-Professors, der darüber in der Senator Lounge parliert -, berührt der Princeton-Politologe die zahllosen Einflußzonen Schmitts, von den Weltordnungsmodellen des Kalten Krieges bis zum Kampf der Kulturen, der den beliebten völkerrechtlichen "Weltstaat"-Visionen Hohn spricht, denen auch Müller als Laudator der "liberalen Moderne" huldigt.

 

Hausmedizin. Deutschland ist das Land mit der höchsten Arztdichte Europas. Und da der deutsche Hypochonder eine vertrauensvolle Arzt-Beziehung aufgebaut hat, sind die Wartezimmer voll, der Pillenkonsum steigt, die Kosten für das Gesundheitssystem explodieren - völlig unbeeindruckt von "Reformen". Abhilfe verspricht Herbert Pelzl unter der offenkundig rhetorisch gemeinten Frage "Selbstbehandlung oder Arztbesuch?" (Verlag Felix AG, Wintrich 2007, gebunden, 128 Seiten, 19,95 Euro). Er redet dem Patienten ins Gewissen, Arztbesuche zu vermeiden. Natürlich stößt auch dieser Sparvorschlag an Grenzen: Den Blinddarm sollte sich der Laie, den Pelzl ermuntert, solide "Grundkenntnisse in der Medizin" aus Fachbüchern und dem Internet zu erwerben, doch lieber nicht selbst entfernen. Daneben verrät das Büchlein kurz und knackig, wie man nur mit einer Hausapotheke Grippe, Stichwunden und Zeckenbisse überlebt.

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