© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Es wird zu weiteren Kriegen kommen
US-Wahlkampf: Der liberale republikanische Präsidentschaftsbewerber McCain wirbt bei konservativen Republikanern um Schützenhilfe
Patrick J. Buchanan

Nachdem er ein Jahrzehnt sein Bestes getan hatte, sie vor den Kopf zu stoßen, stand Senator John McCain am Donnerstag vergangener Woche bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) in Washington vor Tausenden von US-Konservativen - um ihre Unterstützung zu erbitten. Er trug sein Anliegen sogar einigermaßen überzeugend vor.

McCain sagte: In der Vergangenheit haben wir einander bekämpft, ich gebe zu, daß ich Fehler gemacht habe. Aber wenn wir jetzt nicht an einem Strang ziehen, verlieren wir die Präsidentschaft. Und dann, wird das, was euch am Herzen liegt, genauso verloren sein wie meine letzte Chance, Präsident zu werden. Wenn ihr mir aber helft, werden viele eurer Forderungen - ein weiterer Konservativer wie John Roberts und Sam Alito im Obersten Gerichtshof, Beibehaltung von Bushs Steuersenkungen sowie mehr Sicherheit an der mexikanischen Grenze - in mein Präsidentschaftsprogramm Eingang finden.

Bei mir werdet ihr überdies eine offene Tür und ein offenes Ohr finden. Nichts von alledem wird passieren, wenn Hillary Clinton oder Barack Obama gewinnt - und genau dazu wird es kommen, wenn wir nicht gemeinsam kämpfen. Darauf läuft es hinaus: Wenn meine Seite des Bootes kentert, könnt ihr euch nicht über Wasser halten. Wenn ich verliere, werden wir ohnmächtig zusehen müssen, wie ein demokratischer Kongreß und ein Weißes Haus zunichte machen, was die Bush-Regierung richtig gemacht hat - und nicht nur, was sie falsch gemacht hat. Die Entscheidung liegt ganz bei euch.

McCain ist kein begnadeter Redner. Doch diesmal zeugte seine Ansprache von Demut und Humor - und spielte den Ball unmißverständlich den Konservativen zu. Denn damit hatte McCain den ersten Schritt zu einer Versöhnung mit der amerikanischen Rechten getan, indem er sie um einen Waffenstillstand ersuchte und ein Bündnis anbot.

Als 1964 im Cow Palace in San Francisco eine mit noch mehr Erbitterung geführte Schlacht um die republikanische Präsidentschaftskandidatur endete -mit Buhrufen der Rechten für den frischgeschiedenen und -wiederverheirateten New Yorker Gouverneur Nelson Rockefeller, später Vizepräsident unter Gerald Ford -, legte ein anderer Senator aus Arizona sehr viel weniger Kompromißbereitschaft an den Tag als McCain heute. Rockefellers Kontrahent Barry Goldwater verhieß dem konservativen Parteikonvent, der ihn gerade nominiert hatte: "Jeden, der sich uns in aller Aufrichtigkeit anschließt, heißen wir willkommen. Diejenigen, die unser Anliegen kalt läßt, wollen wir sowieso nicht in unseren Rängen sehen."

Konservative können John McCain nicht trauen

Die Konservativen stehen vor einer Entscheidung - die sie freilich erst in einigen Monaten fällen müssen: Was ist besser, das Weiße Haus den Demokraten zu überlassen, oder zuzulassen, daß McCain als US-Präsident an der Spitze von Partei und Staat steht? Viele haben ihren Entschluß bereits gefaßt: Lieber Hillary Clinton unterliegen, argumentieren sie, als mit McCain siegen. Lieber sich prinzipientreu als pragmatisch verhalten. Schließlich sagte schon John F. Kennedy: "Manchmal ist Loyalität gegenüber der Partei zuviel verlangt." Wenn die Frage einfach lautete: "Verdient McCain die Unterstützung der Konservativen?", dann fiele die Antwort leicht und emphatisch aus: Nein. Verdient, und zwar voll und ganz verdient, hat er vielmehr die Absage, die ihm die Parteimitglieder bei der Vorwahl in Arizona erteilten, wo er bei den Konservativen weit abgeschlagen hinter Mitt Romney lag.

Tatsächlich stellt sich die Frage jedoch anders, nämlich so: Was wäre den Anliegen dienlicher, die Konservative vertreten - McCain oder Clinton als Präsident? Im Falle eines demokratischen Sieges, räsonieren manche Konservative, bestünde 2012 eine Chance auf Wiederherstellung der republikanischen Machtbasis. So geschah es, nachdem Jimmy Carter 1976 Gerald Ford geschlagen hatte: Vier Jahre später verjagte Ronald Reagan ihn in einem Erdrutschsieg aus dem Amt, erreichte Stimmenmehrheiten in 44 Staaten und den ersten republikanischen Senat in einem Vierteljahrhundert. Und Amerika erlebte das Reagan-Jahrzehnt.

Allerdings wäre das Risiko hoch, daß noch vor 2012 zwei Nominierungen für den Obersten Gerichtshof anstünden. Ein von Clinton oder Obama nominierter Richter wäre zweifelsohne der 1993 von Bill Clinton berufenen Ruth Bader Ginsburg, die sich durch ihren Einsatz für Frauenrechte und das Recht auf Abtreibung einen Namen machte, ähnlicher als dem konservativen Antonin Scalia, den Reagan 1986 ernannte. Der lange Kampf um eine konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof wäre damit verloren.

Das stärkste Argument gegen McCain lautet: Man kann ihm nicht trauen. Viele auf dem rechten Flügel sind überzeugt, daß er wieder ganz der Alte würde, sobald er den Sieg in der Tasche und keine konservative Schützenhilfe mehr nötig hat: jener McCain nämlich, der mit den Demokraten abgesprochene Gesetzentwürfe in den Senat einbrachte - sie trugen Namen wie McCain-Feingold, McCain-Kennedy und McCain-Lieberman - und im Frühjahr 2005 die "Gang of 14" mitbegründete, einen inoffiziellen Zusammenschluß aus sieben republikanischen und sieben demokratischen Senatoren mit dem Zweck, die Nominierung konservativer Richter zu verhindern. Dieser McCain würde niemals einen Richter wie Sam Alito in den Obersten Gerichtshof berufen, weil er dadurch seine eigentliche Klientel verärgern würde - die Medien, die ihm jedesmal zu Füßen liegen, wenn er der konservativen Sache schadet.

Noch einen weiteren Gesichtspunkt gilt es in Erwägung zu ziehen. McCain hat seine Absicht kundgetan, notfalls noch hundert Jahre im Irak zu bleiben. Er will, daß Rußland aus den G8 ausgeschlossen wird, und er will das iranische Atomprogramm um jeden Preis beenden. Er sagt ganz unverhohlen: "Es wird zu weiteren Kriegen kommen ... Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, es wird zu weiteren Kriegen kommen. Wir werden niemals kapitulieren, aber es wird zu weiteren Kriegen kommen."

John McCain bewirbt sich als Kriegspräsident. Ja, gerade die Rolle des Obersten Befehlshabers eines kriegführenden Staates scheint ihn an dem Amt am meisten zu reizen. Kann das aber gut für Amerika sein, geschweige denn für seine konservative Rechte?

Foto: John McCain im Wahlkampf: "Wir werden niemals kapitulieren!"

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