© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Ernst Jünger VII-X

Jünger VII: Konflikt mit Alfred Baeumler

DRESDEN. Das Gewusel der "Kreise", "Kameradschaften", "Gemeinden", "Zirkel" und Kleinstparteien, die Armin Mohler unter dem Dach der Konservativen Revolution vereint, war für den ordinären mitteleuropäischen Spaltpilz das ideale Biotop. Kein "Kreis" war klein genug, um sich nicht noch weiter teilen zu können, bis mancher "Selbstheiland" (Friedrich Gundolf) mit sich allein war. Die Beziehungsgeschichte zwischen Ernst Jünger und dem Philosophen Alfred Baeumler (1887-1968), die sich in Ernst Niekischs "Widerstandskreis" begegneten, mag exemplarisch für derartige Annäherungs- und Abstoßungsprozesse stehen. Der Graben tat sich mit der Frage "Wie hältst du's mit Hitler?" auf. Baeumler wechselte 1930 ins NS-Lager, Jünger bekanntlich nie. Brisanter Stoff also, den zu durchleuchten sich der Jünger-Experte Ulrich Fröschle und der Baeumler-Kenner Thomas Kuzias zusammengetan haben. Ihrer mal für Ende März, mal erst für Mai im Dresdner w.e.b. Universitätsverlag angekündigten Rekonstruktion und Interpretation des Konflikts zwischen Jünger/Baeumler und deren philosophisch-politischer Publizistik haben die Herausgeber den aus Tagen vor dem Zerwürfnis datierenden knappen, offenbar nur unvollständig überlieferten Briefwechsel der beiden Kontrahenten von 1928/29 als Anhang beigefügt.

 

Jünger VIII: Kontakte zu Wilhelm Wessel

HEMER. Hinter den Bergen wohnen auch noch Leute. Norbert Dietkas an sehr versteckter Stelle publizierter Aufsatz über die Spuren Ernst Jüngers im Sauerländischen bestätigt das (Der Schlüssel. Blätter der Heimat für die Stadt Hemer, 4/07). Dietka, der mit einer Arbeit über Ernst Jünger promovierte, verfolgt einen Nebenstrang der gemeinhin stets auf Carl Schmitt in Plettenberg reduzierten Beziehungen Jüngers in diese Region und rekonstruiert die Nachkriegskontakte des Schriftstellers zu dem in Iserlohn wirkenden Maler Wilhelm Wessel (1904-1971). Über den Kreis von Militaria-Enthusiasten hinaus, die seine Kriegsbücher "Mit Rommel in der Wüste" (1943) und "Umkämpftes römisches Land" (1944) im Regal bergen, dürfte Wessel heute kaum mehr bekannt sein. Um 1950 genoß er hingegen einiges Ansehen inmitten eines von Plettenberg und dem "Siedlinghauser Kreis" des Landarztes Franz Schranz in alle Richtungen der werdenden Bonner Republik ausstrahlenden Kulturlebens, das Dietka hier in wenigen Strichen vergegenwärtigt. Im Falle Jünger kam Wessel jedoch über eine "versuchte Annäherung" nicht hinaus, da sein Ölbildnis, das den Waldgänger in die Sphäre der biblischen Gestalt des Apokalyptikers Johannes versetzte, den so Verklärten nur wenig entzückte.

 

Jünger IX: Reflexionen zum "Arbeiter"

MÜNCHEN. Die simpelste Version von "Kulturkritik" lautet: "Früher war alles besser." Daß dies ausgerechnet "Eine Geschichte der Kulturkritik. Von Rousseau bis Günther Anders", wie sie der Siegener Germanist Georg Bollenbeck vorlegt (C. H. Beck, München 2007, 319 Seiten, 14, 95 Euro), zumindest durch Buch- und Preisgestaltung bestätigt, ist schon drollig. Denn 30 Mark für ein schlecht geklebtes Taschenbuch zu fordern - das hätte wohl "früher" kein Verlag gewagt. Und der Inhalt entschädigt für die Form leider nicht. Es handelt sich nämlich weitgehend um die Wiederaufbereitung älterer Veröffentlichungen Bollenbecks zum Thema, an dem er sich seit fast zwanzig Jahren "abarbeitet" und das er methodisch in die von ihm zwar kulturalistisch nachgewachsten, aber eben doch marxistisch ausgetretenen Bahnen der "Ideologiekritik" zwingt. Nirgends läßt sich das hier besser ablesen als am Kapitel über Ernst Jüngers "Der Arbeiter" von 1932. Daß dieses Werk, geschrieben mitten in der "entzauberten Moderne", keinen "normativen Punkt" mehr anbiete, von dem aus die "Zumutungen der Moderne zurückgewiesen werden könnten", ist keine originelle Entdeckung, sondern Jünger-Basiswissen. Ebenso, daß er von dieser "totalitären Übermoderne" bald "umstellt" auf "Individualismus, Seinsbewahrung, Weltstaat und Frieden". Schließlich zählt zum Standardrepertoire jeder Jünger-Hatz, daß die Kulturkritik des "Arbeiters" in die "intellektuelle Vorgeschichte des Nationalsozialismus" gehöre und - wie Doktor Bollenbeck mit seinem Nazometer gemessen haben will - die "katastrophische Grundstimmung" intensiviert habe bis zur Bereitschaft, Adolf Hitler als Retter Deutschlands zu akzeptieren. Fazit: Jünger-Exegese sieht anders aus.

 

Jünger X: Exerzitien in Schwarzweiß

FRANKFURT/MAIN. Als Schriftsteller und Käfersammler ist er berühmt, daß Ernst Jünger aber auch ein ganz ordentlicher Schachspieler war, dürfte nur wenigen bekannt sein. Dabei spielte er zwischen 1910 und 1916 sogar öffentlich Schach und gewann ein Nebenturnier des Schachkongresses 1912 in Breslau sowie die erste Gruppe der Fernturniere der Zeitschrift Deutsches Wochenschach. Sein Lehrer war der nur sechs Jahre ältere Turnierspieler Gersz Rotlevi, ein Freund seines Vaters. An diesen Aspekt aus dem Jahrhundertleben Jüngers erinnert jetzt unter der Überschrift "Subtile und weniger subtile Jagden" verdienstvollerweise das kulturelle Schachmagazin Karl (4/2007). Nach einem knappen Einführungstext enthält es die Analysen von zwei Jünger-Partien vom Fernturnier des Deutschen Wochenschach 1913 (gegen Schneppe) und aus Claus-thal 1915 (gegen Braune).

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