© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/08 29. Februar 2008

WIRTSCHAFT
Steuerlicher Widerstand
Wilhelm Hankel

Nach manch veröffentlichter Meinung sind die in Liechtenstein mit fragwürdigen Mitteln erwischten Steuersünder "Asoziale". Politiker sprachen sogar von "Abschaum". Zweierlei geht dabei unter: Die marktwirtschaftliche Ordnung billigt Vermögensbildnern durchaus das Recht der freien Kapitalanlage zu; sie sind nicht verpflichtet, mit ihren Ersparnissen den Staat - und nur ihn - zu alimentieren. Die Abstimmung gegen den Staat und seine Politik mit dem privaten Geldschein (vulgo: die Kapital- und Steuerflucht) mag, wie in der Hitler-Zeit oder im Kommunismus, vom Staat für illegal erklärt werden. Illegitim ist sie deswegen nicht. Das unterstreicht auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Es billigt "allen Deutsche(n) das Recht zum Widerstand (zu), wenn andere Abhilfe nicht möglich ist" (Art. 20,4).

Wie soll sich der Staatsbürger vor dem Moloch des modernen Steuerstaates schützen, wenn ihn dieser sozial skandalös besteuert (wie Kinderreiche über die Mehrwertsteuer) oder offen die Gebote der Steuergerechtigkeit verletzt, indem er abhängig Beschäftigte mit 90 Prozent am Aufkommen der Einkommensteuer "beteiligt" und die Hauptlast der Gewinnsteuern personalgesteuerten Mittelstandsbetrieben aufbürdet, die anonymen Kapitalgesellschaften dagegen kräftig entlastet? Der Widerstand gegen ungerechtfertigte Besteuerungspraktiken war die treibende Kraft hinter der Ausbreitung der Zivilgesellschaft, siehe die bürgerlichen Revolutionen der Vergangenheit. Wenn der Staat versagt, muß der Bürger die Reformen auf eigene Gefahr riskieren. Der "kleine Mann" arbeitet "schwarz": Das ist sein Liechtenstein. Steueroasen sind so gesehen keine "Schurkenstaaten", sondern lediglich ein Ventil gegen die Steuerwillkür zu Hause.

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