© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Aufgeschnappt
Mauern der Demokratie
Matthias Bäkermann

Sie gilt als bekanntestes Relikt der geteilten Hauptstadt. Dabei ist die mit 1.316 Metern "längste dauerhafte Open-Air-Galerie der Welt" am östlichen Spreeufer im Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg nur eine "Hinterlandmauer", an der sich seit 1990 unzählige Künstler aus der ganzen Welt betätigten. Jetzt sorgt eine vom Berliner Fotografen Kai Wiedenhöfer geplante Kunstaktion "Wall on Wall" für politische Diskussionen. Er möchte mit großformatigen Fotos auf die weltweite Präsenz von Sperr- und Grenzanlagen aufmerksam machen - zwischen den USA und Mexiko, in Korea, Nordirland oder Israel. Ursprünglich wollte Wiedenhöfer nur Bilder der um einige Meter höheren Mauer in den Palästinensergebieten der Westbank präsentieren, konnte damit jedoch in der Bezirksversammlung keinen Applaus ernten. "Diese Idee wurde sehr kritisch eingeschätzt", gestand die grüne Kulturausschußvorsitzende Elvira Pichler der taz. Viele hätten wegen der leisen Israelkritik eine Parteinahme im Nahostkonflikt und sogar einen "Ansatzpunkt für Rechtsextremisten" wahrnehmen können.

Der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz geht sogar noch weiter. Auch das jetzt vom Bezirk genehmigte Konzept,  bei dem die israelisch-palästinensische Mauer in andere unmenschlich anmutende Grenzanlagen eingereiht wird, sei nicht zuletzt wegen des 60. Jahrestages der Gründung Israels "zeitgeschichtlich und politisch ein falsches Signal" und widerspreche der Kernbotschaft der "Gedenkstätte Berliner Mauer". Schließlich müsse man berücksichtigen, daß die israelische Grenzanlage "Instrument einer demokratisch gewählten Regierung" sei.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen