© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Kopf-an-Kopf-Rennen in Madrid
Spanien vor der Wahl: Dem sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero bläst der Wind ins Gesicht
Martin Schmidt

Wenn sich Spaniens sozialistischer Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero am 9. März zur Wiederwahl stellt, dürfte es sehr knapp werden. Alle Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Spitzenkandidaten der konservativen Volkspartei (Partido Popular, PP), Mariano Rajoy, voraus.

Während Zapatero seine Ankündigungen von Kindergelderhöhungen und Steuersenkungen sowie den kurz nach seiner Regierungsübernahme durchgesetzten Truppenabzug aus dem Irak in Stimmen umzumünzen versucht, treibt vor allem die schwierige Wirtschaftslage der Opposition Wähler zu.

Nirgendwo sonst in der Europäischen Union ist die Inflation derzeit höher als in Spanien. Auch die sozialistischen Pläne für ein Gesetz zur Gleichstellung der Frau und für Homo-Ehen erfahren im noch immer sehr katholischen Spanien erheblichen Widerstand.

Die Kirche bezog im Wahlkampf erkennbar Stellung zugunsten der Konservativen, indem geistliche Würdenträger in einem Hirtenbrief forderten, bei der Parlamentswahl nur für Parteien zu stimmen, die jegliche Verhandlungen mit den "baskischen Separatisten der ETA" ablehnten. Die katholische Kirche sieht sich traditionell als Verteidigerin des zentralistischen Einheitsstaates. Außerdem belasten die traumatischen Erfahrungen des Bürgerkrieges noch immer das Verhältnis zu allen linksgerichteten Kräften.

Letzteres wurde am 28. Oktober 2007 besonders deutlich, als auf dem Petersplatz in Rom 498 im Spanischen Bürgerkrieg umgekommene Katholiken seliggesprochen wurden. Diese zahlenmäßig größte Seligsprechung der Geschichte ist nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem sogenannten Erinnerungsgesetz (Ley de Memoria) der Regierung Zapatero zu sehen. Dieses bewertete die Herrschaft Francos erstmals offen als "Unrechtsstaat" und leitete daraus, sehr zum Unverständnis der Volkspartei, erweiterte Reparationsleistungen an republikanische Opfer ab.

Auch die extrem freizügige Ausländerpolitik der Sozialisten (PSOE) könnte viele Spanier dazu veranlassen, ihr Kreuz diesmal bei der Volkspartei zu machen. Die Opposition konzentrierte sich zuletzt gerade auf dieses Thema und fordert einen Integrationsvertrag für die offiziell vier Millionen Einwanderer. Zapateros Herausforderer Rajoy erklärte: "Wer Spanier werden will, muß schon jetzt auf die Verfassung einen Eid ablegen. Mit einem Integrationsvertrag würde jeder, der eine Aufenthaltserlaubnis erhält, ebenfalls eine Reihe von Verpflichtungen eingehen: die spanischen Gesetze und Gebräuche einzuhalten, Steuern zu bezahlen, sich zu integrieren, und wenn er keine Arbeit findet, wieder nach Hause zu gehen. Im Gegenzug hätte er die gleichen Rechte wie ein Spanier."

Die Desillusionierung angesichts des Scheiterns aller multikulturellen Utopien sitzt tief. Desgleichen die Enttäuschung über das Ende des Friedensprozesses mit der ETA und die Sorge vor einem Abfall des sezessionistischen Baskenlandes und Kataloniens. Während die Regierung ebenso wie die Opposition die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen wollen, bezeichnete die baskische Autonomieregierung diese mit unverkennbarer Genugtuung als "Lehrbeispiel für die Lösung von Identitätskonflikten". Das von der konservativen Baskisch-Nationalistischen Partei (Partido Nacionalista Vasco, PNV) für den 25. Oktober dieses Jahres angestrebte Referendum über die "Zukunft des Baskenlandes" dürfte zwar von Madrid als verfassungswidrig verboten werden, jedoch könnte es sich am 9. März noch als wichtiger Stimmenfänger für die nationalgesinnten baskischen Kräfte einerseits und ihre entschiedensten spanisch-zentralistischen Gegner von der PP andererseits erweisen.

Die sozialistisch geführte katalanische Regionalregierung vermied es, die Sezession des Kosovo klar zu bewerten, während die in Barcelona an der Macht beteiligten und offen für eine Unabhängigkeit eintretenden katalanischen Linksnationalisten (ERC) vor der versammelten Presse mit Sekt auf die albanische Unabhängigkeitserklärung anstießen und auf "alle Völker, die frei sein wollen".

Gerade in Wahlkampfzeiten nährt die Volkspartei beharrlich Befürchtungen, die Sozialisten wären bereit, die nationale Einheit aufzugeben. Die PSOE verhängte zwar erst kürzlich ein Betätigungsverbot für zwei sezessionistische Parteien aus dem ETA-Umfeld (die Kommunistische Partei des Baskenlandes sowie die Nationalistische Baskische Aktion), dennoch dürfte sie die ganze Thematik weitaus mehr Wählerstimmen kosten als einbringen. Wenn die katalanische Zeitung La Vanguardia postulierte: "Der Fall Kosovo ist so speziell, einzigartig und außerdem von dramatischer Härte geprägt, daß sich jegliche Parallelen verbieten", dann mag das in der Sache stimmen, doch an der politischen Instrumentalisierung dieses Präzedenzfalles auch und gerade in Spanien ändert das nichts.

Das spanische Wahlrecht ermöglicht den kleineren Regionalparteien in Katalonien, im Baskenland und in Galicien eine überproportionale Vertretung im Nationalparlament. In der abgelaufenen Legislaturperiode stellten sie immerhin 33 Abgeordnete.

Angesichts der Tatsache, daß nur äußerst selten eine der beiden großen Volksparteien die absolute Mehrheit zu erringen vermag, sind die Nationalisten traditionell das Zünglein an der Waage. Auch nach den Wahlen vom 9. März dürfte das so sein; wahrscheinlich wird der Einfluß regionalistischer respektive sezessionistischer Kräfte sogar noch weiter wachsen.

Fotos: PP-Kandidat Mariano Rajoy: Jubel der konservativen Anhänger; Luis Rodríguez Zapatero: Der Sozialist gibt sich siegessicher

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