© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Tragischer Held
Schattenfigur des 20. Juli
Bernd Lohmann

Manchmal ist weniger mehr. Der Aufsatz, den Peter Hoffmann in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte (2/07) über Joachim Kuhn veröffentlichte (JF 23/07), hätte also gereicht, um einer Schattenfigur des "20. Juli" kräftigeres Relief zu geben. Das Büchlein, das nun unter dem etwas hochstaplerischen Titel "Stauffenbergs Freund" daraus wurde, führt jedenfalls über diesen Aufsatz kaum hinaus.

Kuhn war als Sprengstoffbeschaffer in die im Herbst 1943 recht weit gediehenen und aussichtsreichen Planungen zur "Übernahme der Regierungsgewalt durch das Heer" verwickelt. Aber seit Dezember 1943 fand er keine Gelegenheit mehr, sich aktiv an den Vorbereitungen zum Sturz Adolf Hitlers zu beteiligen, die in Stauffenbergs Anschlag im Führerhauptquartier am 20. Juli 1944 mündeten. Zu diesem Zeitpunkt stand Major Kuhn als 1. Generalstabsoffizier der 28. Jäger-Division in schweren Abwehrkämpfen an der Ostfront.

Von Stauffenbergs Tat bzw. ihrem Scheitern erfuhr er am 21. Juli 1944. Näheres, als ihn Henning von Tresckow bei einem Frontbesuch persönlich informierte. Tresckow beging wenig später Selbstmord. Kuhn half, seinen Leichnam zu bergen. Seiner "von höchster Stelle" verfügten Verhaftung entzog er sich, indem er, wie es im Jargon von Ernst Kaltenbrunners Sonderkommission "20. 7. 44" hieß, "zu den Bolschewisten" überlief.

Allein zur minutiösen Rekonstruktion belangloser Details dieses Frontwechsels am 26. Juli 1944 benötigt Hoffmann zwanzig Seiten! Und nach diesem Prinzip, Nichtigkeiten in der Biographie eines den guten Durchschnitt repräsentierenden Berufsoffiziers aufzublasen, verfährt der Altmeister der Widerstandsforschung durchgehend. Ein maximaler Rechercheaufwand und durchaus anerkennenswerter Spürsinn, der bis in die Moskauer Archive führt und auch vor der Einschaltung eines "Büros für Erbenermittlungen" nicht zurückschreckt, verschwendet sich in zeithistorischer Fußnotenproduktion. Warum Hoffmann sich hingebungsvoll Kuhns rasch wieder gelöster Verlobung mit einer Cousine Stauffenbergs widmet, warum er exzessiv ausführlich dessen Odyssee durch Stalins Gefängnisse und Lager, warum er das traurige, sich fast vierzig Jahre - der 1956 entlassene Kuhn starb 1994 - hinziehende, von geistiger Verwirrung gezeichnete "Nachleben" des Offiziers schildert, der für ihn ein "tragischer Held" ist, bleibt des Historikers Geheimnis.

Peter Hoffmann: Stauffenbergs Freund. Die tragische Geschichte des Widerstandskämpfers Joachim Kuhn. C. H. Beck, München 2007, gebunden, 246 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro

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