© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

CDU auf Antifa-Kurs
Schmierenkomödie im Schweriner Landtag
Günter Bertram

Wie nahe Ernst und Albernheiten zuweilen doch beieinander liegen. Die NPD-Fraktion beantragt, der Schweriner Landtag solle die Regierung auffordern, alle Gender-Mainstreaming- Programme des Landes zu beenden, im Bund durch eine Bundesratsinitiative das gleiche anzustreben und die frei werdenden Mittel für die kindliche Daseinsvorsorge und die Familienförderung einzusetzen. Den genannten Programmen, so die NPD, fehle eine demokratische Legitimation, sie verwechselten Gleichberechtigung mit Gleichheit, ersetzten das biologische durch ein nebulöses soziales Geschlecht, zerstörten und entwürdigten natürliche und gewachsene Bindungen und richteten auch sonst Unheil an.

Ob den NPD-Mannen selbst klar war, was genau sie im Landtag vortragen, begründen und letztlich bewirken wollten, muß offen bleiben; vermutlich hatten sie von den kritischen Befunden Volker Zastrows und Gabriele Kubys nur läuten hören, kaum mehr. Ebenso nahe aber liegt die Frage, ob die anderen Fraktionen mit dem verschleiernd-englischen Kunstwort  mehr verbinden können als das dumpfe Gefühl, "Gender Mainstreaming" besitze längst den Segen Brüssels, Berlins und aller Machtzentren der EU, sei sämtlichen europäischen Ländern als eine Art progressiven Herzschrittmachers implantiert worden, sei also eine gute Sache, so daß infolgedessen Skeptiker, Warner oder Mäkler nichts als reaktionäre, im Zweifel "rechte", verdächtige Zeitgenossen seien.

Die CDU-Fraktion jedenfalls erfaßte die Lage sofort mit sensibler Witterung für das politisch Opportune und nutzte die Chance, sich selbst durch vorbildliche Gesinnung hervorzutun. Sie forderte die Schweriner Landtagsverwaltung auf, den NPD-Antrag gar nicht erst auf die Tagesordnung zu setzen - mit der Begründung, er verletze unter anderem die Landesverfassung, nämlich deren im Dezember 2007 eingefügten Art. 18 a (2): "Handlungen, die ... insbesondere darauf  gerichtet sind, rassistisches oder anderes extremistisches Gedankengut zu verbreiten, sind verfassungswidrig". Man reibt sich die Augen und fragt, wie denn der skizzierte Sachverhalt sich unter den genannten Tatbestand subsumieren lasse. Kein Problem für die CDU, denn jedenfalls "im weitesten Sinne" belebe der Antrag "nationalsozialistisches Gedankengut" wieder. Bei dieser Auslegungsakrobatik (die ein wenig an den Rauswurf Eva Hermans bei Johannes B. Kerner erinnert) spekulierte die CDU offenbar auf den Beifall der SPD und Linken, zumal diese den neuen Verfassungsartikel selbst erfunden hatten. Freilich hatten sie ursprünglich "rechtsextremes Gedankengut" von verfassungswegen verdammen  wollen. Damals hatte die CDU den Braten gerochen und sich geweigert, am Strick mitzudrehen, mit dem die Linken alle "Bürgerlichen" nach Lust und Laune würden als "rechts" definieren und erwürgen können. Mit diesem Widerstandsakt war ihre Kraft allerdings erschöpft gewesen, so daß die neugefaßte "Antifa-Klausel"  ihren Segen bekommen hatte.

Müßte es die Linken jetzt nicht in helle Begeisterung versetzen, daß die CDU den  NPD-Antrag zum Anlaß nahm, die neue Antifa-Klausel ganz im Sinne ihrer linken Geburtshelfer anzuwenden, die der alten nachtrauerten, der fast leibhaftigen Wiedergängerin des berüchtigten Artikels 6 der DDR-Verfassung? Ein Passepartout also gegen "Rechts", gegen die allseits geächteten NPD-Hansel zumal.

Vielleicht waren SPD und Linke wirklich begeistert - dann freilich von der Torheit der CDU, sich nun ausgerechnet von ihnen die Belehrung einzuhandeln, man müsse sich mit diesem NPD-Antrag  "politisch und inhaltlich", nicht aber administrativ, mittels Verbots auseinandersetzen. Daß dieses Bekenntnis zum Meinungskampf und zur freien Debatte pure Heuchelei ist, liegt zwar auf der Hand, denn mit Verbot, Einschüchterung und Diffamierung all dessen, was sie "rechts" nennen, waren auch die Genossen im Schweriner Landtag - und draußen in der Republik - nie zimperlich.

Um so vergnüglicher aber, nun ausgerechnet der CDU die offizielle Rhetorik über geistige Auseinandersetzung um die Ohren hauen zu können. Die Ironie trifft die CDU auch an einem - an ihrem - wunden Punkt, denn sie scheut ja weder Verrenkung, beflissene Unterwerfung noch Selbstentwürdigung, um zu demonstrieren, daß sie keineswegs "rechts" sei, sondern genauso gut gesinnt und antifaschistisch wie andere Antifaschisten auch. Zu Ehren der CDU Sachsens und Thüringens bleibt immerhin zu ergänzen, daß dort in früheren Jahren die Antifa-Kreationen von PDS und Linken brüsk abgeschmettert worden waren.

Um den Bericht zu beenden: Ihre juristische Abfuhr hat sich die CDU von der Schweriner Landtagsverwaltung schon geholt, die es aus Rechtsgründen ablehnte, den NPD-Antrag von der Tagesordnung zu nehmen. Der Pressesprecher der CDU-Fraktion fährt trotzdem fort, sich selbst und seiner Partei auf die Schultern zu klopfen: Durch ihre Intervention habe die CDU die Landtagsverwaltung jedenfalls dahin sensibilisiert, künftig in allen Zweifelsfällen ihr ganz besonderes Augenmerk auf die neue, wohl noch zu wenig bekannte Antifa-Klausel zu richten. Difficile est satiram non scribere!

 

Günter Bertram war Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg.

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