© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Der Rückkehrer
SPD: Kurt Beck und der Traum von der leisen Eisenbahn
Marcus Schmidt

Am Anfang, noch bevor er sich am Montag den Fragen nach seiner ungewiß gewordenen Zukunft als Vorsitzender der SPD, ja nach der Zukunft der gesamten Partei stellte und noch bevor er sich zu einer möglichen Kanzlerkandidatur äußerte und zum politischen Amoklauf der Genossen in Hessen, verblüffte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck die Journalisten der Bundespressekonferenz mit einem Satz, den niemand erwartet hatte und der für ungläubiges Staunen und Gemurmel sorgte. "Die Bahn muß leiser werden", las Beck betonungslos von einem Zettel ab und referierte damit einen Teil der am Vormittag festgelegten Positionen des Präsidiums seiner Partei zur geplanten Bahnprivatisierung.

Die abseitigen Ausführungen verblüfften: Das ganze Wochenende hatte das politische Deutschland darauf gewartet, daß sich Beck, der aufgrund einer Grippe zehn Tage lang im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos mit ansehen mußte, wie seine Partei in der Person der hessischen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti jegliche Glaubwürdigkeit verspielte, zu Wort meldet, um für die SPD zu retten, was noch zu retten war. Selten war in den vergangenen Jahren der Auftritt eines Politikers, der bald zwei Wochen mit keiner Äußerung in den Medien zitiert wurde - heute der beste Weg ins politische Abseits - dringender erwartet worden. Und dann das: Unsere Bahn muß leiser werden. Die Szene ließ gleich zu Beginn seiner Rückkehr auf die politische Bühne Zweifel an der Urteilsfähigkeit des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten aufkommen.

Auch als Beck sich schließlich den Fragen zum Verhältnis der SPD zur Linkspartei stellte, blieben seine Antworten im Ungefähren, ließ er sich jede Hintertür offen. Wird es 2009 im Bund eine Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei geben? Nein, sagte Beck, aber was 2020 sein werde, könne er nicht sagen. Wer wisse schon, wie sich die Partei entwickeln werde. Und der Hinweis, daß Politik etwas Dynamisches und nichts Statisches sei, unterstrich den Unwillen Becks, sich festzulegen. Auch seine Äußerungen zum Umgang der SPD mit der Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger, die sich gegen Ypsilanti gestellt hatte und dafür scharf angegriffen worden war, wirkten unbestimmt. Verständnis für die Gewissensentscheidung der Abgeordneten war schwer auszumachen.

Am Ende hinterließ der Rückkehrer einen blassen Eindruck. Beck hat, so schien es, während seiner Krankheit nicht nur "fünf bis sechs Kilo" abgenommen, sondern auch deutlich an politischem Gewicht verloren.

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