© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Der Boden war schlecht und feucht
Schweiz: Streit in Luzern um Erde für neuen muslimischen Friedhof / Christliche Gebeine aus politischen oder aus ökonomischen Gründen entsorgt?
Fabian Schmidt-Ahmad

Der Luzerner Stadtrat steht im Verdacht, Friedhofserde aus politischen Gründen heimlich entsorgt zu haben. Islamische Friedhöfe sorgen in der Schweizer Kommunalpolitik immer wieder für Streit. Besonders wenn muslimische Einwanderer verlangen, daß die mit Gebeinen von Christen versetzte Friedhofserde ausgetauscht werden müsse, empfinden dies Einheimische als Respektlosigkeit (JF 19/07).

Eine neue Methode der Konfliktvermeidung scheint man für die Anlage eines muslimischen Gräberfeldes auf dem städtischen Friedhof Friedental gefunden zu haben. Der Stadtrat wolle ein "integrationspolitisches Zeichen" setzen und einen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben leisten, hieß es bei Baubeginn vor drei Jahren. Auf der anderen Seite bestätigte der Stadtrat dem rechtsnationalen SVP-Großstadtrat Urs Wollmann auf eine Anfrage vom November 2006, "daß auf dem Grabfeld für Muslime kein Erdaustausch stattfindet". Die Anlage sollte dieses Frühjahr freigegeben werden.

Wie jedoch die Zeitung 20 Minuten berichtet, wurde inzwischen die Friedhofserde unter einer Abdeckung auf rund 1,80 Meter Tiefe abgetragen und mit neuem Humus, Sand und Kies aufgefüllt. Auf die Frage eines besorgten Bürgers nach dem Verbleib der Gebeine soll ihm ein Angestellter der Baufirma geantwortet haben, die Erde habe man in eine Baugrube verbracht. Wollmann, der erst kürzlich ein Postulat gegen den geplanten Umbau einer Kirche zu einer Moschee stellte, zeigte sich entrüstet: "Wir haben uns gegenüber den Muslimen tolerant gezeigt. Doch wir wurden vom Stadtrat einmal mehr hinters Licht geführt." Denn ohne diese Garantie hätte er ein Referendum angestrebt.

In der Tat bestätigte inzwischen die Friedhofsverwaltung den Abbau von 430 Kubikmetern Erde. Doch sei dies kein Erdaustausch, da man den Boden nur mit Kies aufgefüllt habe. Eine Argumentation, die nur wenige nachvollziehen können. Christdemokrat Ludwig Deicher, Präsident der CVP der Stadt Luzern, fühle sich "nach dieser Hiobsbotschaft erschlagen" und äußerte Verständnis für "den Zorn der Leute".

Baudirektor Kurt Bieder von der liberalen FDP verteidigte nun den Erdaustausch mit technischen Argumenten. Der Boden sei schlecht und feucht gewesen. Tatsächlich bestätigte die auf Friedhofsanierung spezialisierte Firma Tony Linder & Partner eine entsprechende Anfrage. Doch veranschlagte die Firma Kosten von fast einer Viertelmillion Franken, was deutlich über dem städtischen Angebot von 200.000 Franken lag. Die "nötige Pietät" hätte man mit einem solchen Betrag nicht einhalten können, sagte der Linder-Geschäftsführer.

Angesichts dessen ist die Geheimniskrämerei wenig hilfreich. "So wird die Situation durch Verdächtigungen angeheizt", bedauerte der sozialdemokratische Großstadtrat Dominik Durrer. Und SVP-Chef René Kuhn fordert: "Jetzt muß alles auf den Tisch, die Vertuschungen müssen aufhören." Derweil können die Luzerner Bürger nur mutmaßen, ob möglicherweise die Gebeine ihrer Angehörigen aus politischen oder aus ökonomischen Gründen verklappt wurden. In einer Internetumfrage lehnten die Online-Leser von 20minuten.ch das Vorgehen zu 71 Prozent ab.

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