© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Zeitschriftenkritik: Felsgraffiti
Fremd in der eigenen Haut
Werner Olles

Herausgegeben von der Felsgraffiti-Redaktion in Windhuk, erscheint die "Deutsche Literaturzeitschrift für Namibia" halbjährlich im DIN-A-4-Format mit jeweils 24 Seiten. Fünf Ausgaben der liebevoll aufgemachten Zeitschrift liegen bislang vor. Die Rubriken "Redaktionelles", "Die Glosse", "Literaturforum", "Das Interview", "Buchvorstellungen", "Lesetipps für Autoren" und "Leserbriefe" vermitteln ein anschauliches Bild vom kulturellen Hintergrund der Deutsch-Namibier. Da es in Namibia nur noch eine einzige deutschsprachige Tageszeitung gibt - die Allgemeine Zeitung ist auch die älteste Zeitung des Landes -, ist es um so wichtiger, daß die deutschstämmigen "Südwester" mit Felsgraffiti nun auch eine eigene Literaturzeitschrift haben.

Die offizielle Landessprache Namibias, das 1884 vom Deutschen Reich zur Kolonie Deutsch-Südwest-afrika zusammengefaßt und nach dem Ersten Weltkrieg der Südafrikanischen Union unterstellt wurde, ist seit der Unabhängigkeit 1990 Englisch. Neben den verschiedenen Stammessprachen der unterschiedlichen Volksgruppen Namibias wird jedoch auch Afrikaans und Deutsch gesprochen, wobei ältere schwarze Namibier eher Afrikaans als Englisch sprechen. Dennoch gibt es auch unter den Deutschsprachigen in Namibia eine verhängnisvolle Tendenz zu völlig unnötigen Anglizismen. Allerdings weist die Zeitschrift in einer Glosse zu Recht darauf hin, daß dieser unselige Hang im Mutterland der deutschen Sprache noch viel stärker verbreitet ist.

Nach einem Bericht über die Buchmesse 2007 in Kapstadt fragt das Literaturforum: "Wie afrikanisch sollte deutschsprachige Literatur in Namibia sein?"  Doch hätte die Frage lauten müssen: "Wie afrikanisch sind eigentlich deutschsprachige Namibier?", gibt eine Forumsteilnehmerin zu bedenken. Keinesfalls bedeute dies, "den deutschen Teil seiner afrikanischen Seele auszusparen, zu verstecken oder zum Schweigen zu bringen" und auch nicht "möglichst politisch korrekt über Schwarzafrikaner und ihre Erfahrungen zu schreiben". Afrikanisch heiße vielmehr, "sich und seine Erfahrungen in einem afrikanischen Umfeld schreibend zu verarbeiten".

 So müsse gute deutschsprachige Literatur in Namibia "deutsch, namibisch und afrikanisch zugleich" sein und aus der besonderen Perspektive des deutschsprachigen Namibiers der afrikanischen Literatur "eine ganz eigene, unverwechselbare Komponente hinzufügen: das Privileg und Glück, kulturell von zwei Kontinenten, Europa und Afrika, reich beschenkt zu sein; aber auch die schmerzliche Zerrissenheit und Unfähigkeit, die unterschiedlichen europäischen und afrikanischen Einflüsse und Prägungen unter einen Hut zu bringen; den Schmerz, wenn man sich manchmal in der eigenen Haut fremd fühlt; die besondere Situation des Machtverlustes nach der Unabhängigkeit und die Suche nach einer neuen Identität; das Ertragen der Widersprüche zwischen unserer westlichen Erziehung und afrikanischem Denken, zwischen Engagement und Resignation, zwischen Liebe und Verachtung für dieses junge Land, das so viele Fehler macht, aber auch soviel Vitalität und Lebensfreude besitzt".

Anschrift: Ulrike Haufe, Karl-Irmer-Str.6, 06366 Köthen. Jahresabo 15 Euro. E-Post: dkr-fads@iafrica.com.na

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