© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Sprich Deutsch!
Wolf Schneiders Plädoyer für eine Renaissance der Muttersprache und gegen die Ausbreitung prahlerischer Anglizismen
Thomas Paulwitz

Die Kampagnen für die Reinheit der deutschen Sprache sind weitaus weniger Zeichen einer besonderen Liebe zum schönen und passenden Ausdruck als vielmehr Spielfelder eines nationalen, globalisierungsfeindlichen Ressentiments." Dieser Satz, erschienen 2007 in der Süddeutschen Zeitung, gab dem Sprachkritiker Wolf Schneider nach eigenem Bekunden den letzten Anstoß für sein neuestes Buch "Speak German! Warum Deutsch manchmal besser ist". Obwohl dieser Titel äußerst zurückhaltend formuliert ist - warum denn nur "manchmal" besser? -, hat er es in sich. Gewollt oder nicht - wenn wir ihn ins Deutsche übersetzen, nimmt der Buchtitel unmittelbar Bezug auf Eduard Engels radikales Verdeutschungswörterbuch "Sprich deutsch! Ein Buch zur Entwelschung" von 1916.

Sind solche unerbittlichen Forderungen heute nur noch im Gewand der englischen Sprache möglich, oder handelt es sich hier um ein trojanisches Pferd im Kampf gegen die Anglomanie? So scheint es, denn Schneider lobt erst einmal das Englische: Es sei "wunderbar einfach", "von großer Kürze und Kraft", "fast auf der ganzen Welt verstanden", "eine großartige Sprache". Mit diesem Lobgesang hält sich Schneider jedoch nicht lange auf, und er geht sogleich dazu über, die Vorzüge der deutschen Sprache zu unterstreichen. Überzeugend legt er dar, warum sie zu Recht eine "Weltsprache" zu nennen ist.

Schneiders Verdienst um die deutsche Sprache ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Hunderte von Journalisten, die heute wirken, sind durch seine Schule gegangen. Noch heute bildet er an sechs Journalistenschulen aus. Seinen Ruf als Sprachpapst begründete er als Leiter der Hamburger Henri-Nannen-Journalistenschule, der er von 1979 bis 1995 vorstand. Sein umfangreiches Journalisten- und Sprachstilwissen ließ er in zahlreiche Sachbücher einfließen. Mit "Speak German!" liegt nun sein 27. Buch vor, das sich entsprechend flüssig liest.

Schneider verwendet selbst gern Fremdwörter aus dem Englischen, er ist kein leidenschaftlicher Eindeutscher. Er schreibt nicht "Rechner", sondern "Computer", nicht (eine E-Post) "schicken", sondern "mailen". Gegen das Verwenden der Wörter "Job" oder "Team" hat er nichts einzuwenden. Ihm geht es vielmehr um das Ausmerzen von Anglizismen, für die es noch keine deutsche Entsprechung gibt, die unverständlich sind, die deutsche Wörter verdrängen, die überflüssig sind, die falsch ins Deutsche übersetzt werden oder Pseudoenglisch sind, also Wörter wie "Handy" oder "Twen", die es im Englischen gar nicht gibt. Außerdem sind ihm scheinbar deutsche Wörter wie "Frontlinie" (von frontline) statt "Front", "Administration" (von administration) statt "Regierung" oder "Gewittersturm" (von thunderstorm) statt "Gewitter" ein Dorn im Auge.

In einem eigenen Abschnitt geißelt Schneider die "Lust" der Deutschen an der "Selbsterniedrigung": daß die Bundesrepublik 1973 versäumte, Deutsch zur Amtssprache der Vereinten Nationen zu machen, und im gleichen Jahr auf Deutsch als Arbeitssprache der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) verzichtete; daß Deutschland nach 1990 in Osteuropa Englisch das Feld überließ; daß das Goethe-Institut seit Außenminister Joschka Fischer die Verbreitung deutscher Sprache und Kultur nicht mehr als Hauptaufgabe ansieht; daß die Deutschen sich nicht selbstverständlich zu Deutsch als Leitkultur bekennen.

Schneider hat ein mutiges Buch geschrieben, eine entschiedene Liebeserklärung an die deutsche Sprache. Er hat nicht nur zahlreiche Argumente gegen die Sprachverpanschung zusammengetragen, sondern auch dafür, deutsch zu sprechen. Selbstverständlich weist er dabei ausführlich auf die Aktion Lebendiges Deutsch hin, die er und drei Mitstreiter im Jahr 2006 gründeten. Seither schlagen die vier monatlich ein deutsches Wort für einen überflüssigen Anglizismus vor und bitten um Vorschläge für deutsche Entsprechungen zu einem ausgewählten Anglizismus.

Leider kommt bei Schneiders Darstellung zu kurz, daß nicht nur diese vier Männer, sondern eine breite Phalanx von Sprachvereinen und -initiativen schon seit einigen Jahren für die deutsche Sprache kämpft. Ohne den Bewußtseinswandel, den diese Initiativen herbeigeführt haben, wäre eine derart von der Presse geförderte Aktion gar nicht denkbar.

Zwar zählt Schneider "Einrichtungen für Sprachkultur" auf, darunter befinden sich jedoch vor allem Organisationen wie der Deutsche Sprachrat, die Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache und das Mannheimer Institut für deutsche Sprache, die sich bislang eher unrühmlich bis kontraproduktiv in der Sprachpflege hervorgetan haben.

Im Kampf gegen die Überflutung der deutschen Sprache durch nichtssagendes, verwirrendes, unverständliches und prahlerisches Denglisch verharmlosen und versagen diese Einrichtungen. Es sei doch alles nicht so schlimm, nur eine Mode, die vorübergehe, so der Tenor. Die Sprachpanscherwahl des Vereins Deutsche Sprache, dessen Anglizismenindex, die Aktionen der Deutschen Sprachwelt, die Neue Fruchtbringende Gesellschaft oder der Tag der deutschen Sprache: das alles bleibt bei Schneider leider unerwähnt. Dennoch bietet das Buch allen Freunden der deutschen Sprache eine gute Schützenhilfe.

Wolf Schneider: Speak German! Warum Deutsch manchmal besser ist, Rowohlt, Reinbek 2008, gebunden, 192 Seiten, 14,90 Euro

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich erscheinenden "Deutschen Sprachwelt" in Erlangen.

Foto: Kommunikation in der Muttersprache: Überflutung des Deutschen durch verwirrendes, unverständliches und prahlerisches Denglisch

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