© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

Ein Rückzug auf Raten
Integration: Abriß von Gotteshäusern als Zeichen der Selbstaufgabe der Kirchen / Wütende Proteste gegen Jugendkongreß "Christival"
Fabian Schmidt-Ahmad

Donnernd hallte der Lärm, als das gewaltige Kuppelkreuz 56 Meter in die Tiefe stürzte. Hagia Sophia, die Heilige Weisheit, war gefallen. Man schrieb das Jahr 1453, und die siegreichen Türken hatten unter Mehmet II. Konstantinopel erobert. Eine weniger spektakuläre und gewaltreiche, aber doch in ihrer Summe ähnlich bedeutsame Entwicklung kann man derzeit in Deutschland beobachten.

Zwar haben die Amtskirchen in Deutschland, die symbolische Bedeutung ahnend, bisher noch nicht der direkten Umwidmung einer ehemaligen Kirche in eine Moschee zugestimmt, jedoch vollzieht sich der Prozeß so nur auf anderem Weg. Derzeit wird beispielsweise gerade im Hamburger Stadtteil Barmbek die aus der Gründerzeit stammende Heiligen-Geist-Kirche abgerissen (JF 9/08). Noch im Vorfeld machte Kultursenatorin Karin von Welck den Vorschlag, zur letzten Rettung des Gebäudes dieses doch einem Moscheeverein zu überantworten. Dann hätte sie gleich zwischen 40 offiziell registrierten Hamburger Vereinen wählen können, von denen alleine neun zum türkischen Staat in Gestalt der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) gehören.

In gewisser Hinsicht ist das Kirchensterben eigentlich nur die letzte Quintessenz eines Schlachtrufs, der das Religiöse ins Private drängen möchte. Religion ist für die Deutschen heute eine Privatsache. Vorbei die Zeit, als sich Europa jede Woche in einem feingesponnenen Netz von Betenden zusammenfand; vorbei die Zeit, als gewaltige Bauwerke das Volk buchstäblich architektonisch zum Leib Christi formten; vorbei die Zeit, als das öffentliche Leben von der Kanzel herab bestimmt wurde. Mit allen Konsequenzen, positiven wie auch schlechten: Denn wenn Religion wirklich nur Privatsache ist, dann muß sie folgerichtig an der Wohnungstür wie ein Paar Hauspantoffeln ausgezogen werden. Kirche darf dann nicht mehr öffentlich sein, und sie darf sich auch nicht mehr öffentlich äußern.

Wütender Protest umwetterte die Organisatoren des jugendmissionarischen Kongresses "Christival", als im Vorfeld bekanntwurde, daß von den 255 angebotenen Seminaren sich auch eins mit Homosexualität befassen sollte (JF 9/08). "Gefährliche Psychokurse und minderheitenfeindliche Angebote", empörte sich der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. Dabei dürfte den bekennenden Homosexuellen wahrscheinlich noch nicht einmal so sehr in Wut versetzt haben, daß es Menschen mit anderer Meinung gibt, sondern die Tatsache, daß hier eine christliche Einrichtung - zwar unbewußt und in naiver Unschuld - die politische Linie seiner Partei anzuzweifeln, also sich als politische Kraft zu äußern wagt. Nur so kann die Kleine Anfrage der Grünen nach "religiösen Fundamentalisten" gedeutet werden. Ein Hauch von Voltaire im 21. Jahrhundert?

Propagandistische Steilvorlage

Mitnichten, muß sich doch derjenige, der sich heute noch Christ nennt, verwundert die Augen reiben. Denn alles das, was ihm als Christ öffentlich verwehrt wird und wovon er auch als Christ häufig Abstand nehmen will, wird anderen breitwillig zugestanden. Für eine "öffentlich repräsentative Moschee" greifen Atheisten in die Tasche, die sonst nur durch Papst-Sottisen auffallen. Und während Beck für die rechtliche Gleichstellung muslimischer Einrichtungen mit den christlichen Kirchen kämpft - weil das seiner Meinung nach irgendwie mit "Integration" zusammenhängt -, übersieht er großmütig Tendenzen des Islam, die sich nicht in freundlich-sachlichen Seminaren zur Homosexualität erschöpfen. Im Mai vergangenen Jahres stellte die Opferschutzgruppe für Homosexuelle "Maneo" das Ergebnis einer Umfrage vor. Selbst die Initiatoren waren von der hohen Dunkelziffer überrascht. Rund 90 Prozent der Vorfälle wurden nicht angezeigt. Dabei gab mehr als jeder Dritte an, in den letzten zwölf Monaten Opfer von Gewalt geworden zu sein.

Eigentlich eine propagandistische Steilvorlage für eine gewisse politische Interessenklientel. Doch es blieb erstaunlich still. Vielleicht hängt dies mit dem Umstand zusammen, daß 16 Prozent der Befragten - ohne daß diese Antwortmöglichkeit im Fragebogen überhaupt vorgesehen war - als Täter Personen "nichtdeutscher Herkunft" vermerkten. "Das liberale Nebeneinander - hier die Schwulen, da die Migranten - ist mittlerweile Geschichte", stellte Maneo lapidar fest. Keine erwünschte Feststellung für Menschen, die den Islam gerne als Projektionsfläche für die eigenen Wünsche mißbrauchen. Dies schien in früheren Zeiten einigermaßen legitim, als man einer bigotten Kirche das idealisierte Traumbild eines toleranten Islam vorhalten wollte. Doch jetzt lebt der konkrete - und nicht der erträumte - Islam mitten unter uns.

Man könnte sagen, daß einen das Christentum abstößt und dem eigenen Empfinden nach der Islam viel näher steht. Dann würde man nur seine Meinung aussprechen. Doch verlogen ist es, Kritik am Islam mit dem Gleichnis vom Splitter und dem Balken abschmettern zu wollen; alles mit der
Behauptung, man wolle doch nur objektiv die Sache betrachten. Als eine der letzten Hexen wurde in Deutschland Anna Schnidenwind am 24. April 1751 hingerichtet - gewiß eine Schande. Doch das letzte bekanntgewordene Todesurteil gemäß der Scharia wurde in Europa am 2. November 2004 an Theo van Gogh vollstreckt. Dieser Unterschied sollte nicht nur den Christen, sondern allen Bürgern Deutschlands zu denken geben.

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